Vermieter bei Überlassung der Räume vor Insolvenzreife des Mieters regelmäßig Altgläubiger
BGH 22.10.2013, II ZR 394/12Die Kläger vermieteten an die R-GmbH (Schuldnerin), deren Geschäftsführer die Beklagten waren, mit Mietvertrag von Januar 2007 Geschäftsräume für einen mtl. Mietzins einschließlich Betriebskosten von rd. 10.400 € von Februar 2007 bis Ende Januar 2012 mit Verlängerungsoption. § 3 Abs. 5 des schriftlichen Mietvertrages enthält folgende Regelung:
"Bleibt der Mieter mit dem mtl. Mietzins länger als zwei Monate im Rückstand, so ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Ferner ist der Vermieter im Falle des Konkurses, des Vergleichs oder der Zahlungseinstellung des Mieters zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigt."
Die Schuldnerin zahlte im November 2009 nur einen Teil der Miete, im April 2009 und von Februar bis September 2010 zahlte sie keine Miete. Am 4.2., 5.3., 8.4. und 8.6.2010 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Nichtzahlung des Mietzinses jeweils fristlos. In einem Räumungsvergleich von Juni 2010 verpflichtete sich die Schuldnerin, die Geschäftsräume Ende August 2010 zu räumen und den Mietzins für Juli und August 2010 noch zu zahlen. Im Juni 2010 beantragten die Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, das im Juli 2010 eröffnet wurde. Die Kläger verlangen von den Beklagten die Zahlung von rd. 130.000 € Schadensersatz nebst Zinsen.
Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab der Klage überwiegend statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von rd. 99.000 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung der Mietzinsansprüche der Kläger gegen die Schuldnerin. Auf die Revisionen der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des LG zurück.
Die Gründe:
Die Kläger können den Mietzinsausfall nicht als Neugläubiger nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO ersetzt verlangen.
Die Neugläubiger einer GmbH haben bei einem schuldhaften Verstoß der Geschäftsführer gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen diese auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind. Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers deshalb darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen. Es ist der Ersatz eines Vertrauensschadens, der dadurch entsteht, dass der Gläubiger mit dem Schuldner einen Vertrag schließt und eine Vorleistung erbringt.
Die Kläger sind keine Neu-, sondern Altgläubiger. Ein Vermieter, der dem Mieter vor Insolvenzreife Räume überlassen hat, ist regelmäßig Altgläubiger und erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzverschleppung, weil er sich bei Insolvenzreife nicht von dem Mietvertrag hätte lösen können. Wenn ein Dauerschuldverhältnis vor Insolvenzreife begründet wurde, ist der Gläubiger für seine nach Insolvenzreife fällig werdenden, aber ohne Gegenleistung bleibenden Leistungen Alt- und nicht Neugläubiger, weil der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nicht ursächlich für den Vertragsabschluss und damit für die Geld- oder Sachleistung nach Insolvenzreife ist, der Gläubiger bei Eintritt der Insolvenzreife vielmehr bereits in vertragliche Beziehungen zur Schuldnerin getreten war.
Die Kläger konnten sich bei Insolvenzreife nicht von dem Mietverhältnis mit der Schuldnerin lösen. Die Kläger konnten das Mietverhältnis auch nicht fristlos aufgrund des vereinbarten Sonderkündigungsrechts bei Konkurs oder Zahlungseinstellung kündigen. Eine in einem Mietvertrag vereinbarte insolvenzabhängige Lösungsklausel ist nach allgemeiner Ansicht unwirksam. Jedenfalls ist die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenzeröffnung unwirksam. Nach § 119 InsO sind Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenz (oder des Konkurses) ist als Vereinbarung eines solchen, unwirksamen Kündigungsrechts im Fall der Insolvenzeröffnung auszulegen.
Demzufolge können die Kläger den Altgläubigerschaden nicht einklagen. Solange das Insolvenzverfahren andauert, ist er allein von dem Insolvenzverwalter und nicht den Gläubigern geltend zu machen. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Eingehungs- oder Prozessbetrugs gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB hat das OLG zudem rechtsfehlerfrei verneint.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.