Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Inhalte durch eine Behörde
OLG Zweibrücken v. 28.2.2019 - 4 U 37/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin bietet auf ihrer Homepage Landkarten und Stadtpläne an. Nutzer können sich nach Eingabe einer Adresse kostenfrei bestimmte Kartenausschnitte anzeigen lassen. Eine darüber hinausgehende Nutzung wird von der Klägerin zur Lizenzierung angeboten. Dies betrifft insbesondere das Recht, Kartenausschnitte auf Netzauftritten zu verwenden (wie etwa www.berlin.de).
Die beklagte rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde hat auf der von ihr für eine verbandsangehörige Stadt betriebenen Webseite eine Karte ins Netzt gestellt, an der die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte hält. Die Beklagte hatte das Kartenmaterial als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten und veröffentlichte das Exposé zur Darlegung einer baurechtlich "atypischen Fallgestaltung" im Rahmen eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens. Hiermit wollte sie der Pflicht genügen, die entsprechenden Unterlagen "in das Internet einzustellen" (§ 4 a Abs. 4 BauGB). Um ein Nutzungsrecht an dem streitgegenständlichen Kartenmaterial hatte die Beklagte bei der Klägerin zuvor weder nachgesucht noch ein solches erhalten.
Im Juli 2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zugleich bot die Klägerin der Beklagten erfolglos den Abschluss eines Lizenzvertrages an. Die Beklagte verteidigte sich in erster Linie damit, dass sie das streitgegenständliche Material lediglich pflichtgemäß im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bauleitplanung veröffentlicht habe. Zudem sei das Kartenmaterial zum Zeitpunkt der Abmahnung durch die Klägerin bereits nicht mehr öffentlich zugänglich gewesen.
Das LG wies die Unterlassungsklage ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und gab der Klage statt. Allerdings wurde gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein (verschuldensunabhängiger) Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu, da diese sie in dem Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes (§ 19 a UrhG) verletzt hat. Entgegen der Meinung der Vorinstanz ist der Urheberrechtsschutz für die Klägerin im Streitfall nicht nach § 5 UrhG ausgeschlossen.
§ 5 UrhG stellt amtliche Werke urheberrechtsfrei, um einem öffentlichen Informationsinteresse zu genügen. Infolgedessen ist der für § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG zentrale Begriff des "amtlichen Werks" auszulegen, was vorliegend zu dem Ergebnis führt, dass ein solches nicht vorliegt. Denn bei der gebotenen engen Auslegung kann von einem amtlichen Werk nur dann ausgegangen werden, wenn dieses von vornherein hoheitlichen Zwecken zu dienen bestimmt war. Die Vorschrift rechtfertigt es hingegen nicht, Werke, die ursprünglich zu nicht amtlichen Zwecken erstellt wurden und demzufolge Urheberrechtsschutz genossen haben, zu amtlichen Äußerungen "umzuwidmen" und auf diese Weise eine nachträgliche "Enteignung" privater Urheber im Wege einer Art von vergütungsloser Zwangslizenz herbeizuführen.
Bereits ein (allgemeines) besonderes Publizitätsinteresse an dem streitgegenständlichen Kartenmaterial liegt nicht vor. Ein solches könnte sich zwar aus dem "regelnden" Charakter eines Werkes ergeben. Das streitgegenständliche Kartenmaterial erfüllt diese Voraussetzung jedoch gerade nicht. Das besondere Informationsinteresse an Werken mit regelndem Charakter beruht gerade auf der Singularität dieser Werke (Regelungen), aus welcher sich das Publizitätsgebot speist. Diese Singularität haftet dem hier in Rede stehenden Material jedoch nicht an: Denn die Karte wäre ohne weiteres (entgeltlich) auf dem Markt zu beschaffen gewesen.
Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 UrhG geht es um die Austarierung der Reichweite der Schutzsphäre des Urhebers auf der einen und des Allgemeininteresses an der Publizität von "amtlichen Werken" auf der anderen Seite. Dabei hat die Frage, ob die Urheberrechtsfreiheit nach § 5 Abs. 1 UrhG für ein sog. amtliches Werk auch dann eintritt, wenn der private Rechtehalter der Verwendung seines Werkes hierfür - wie im Streitfall - nicht zugestimmt hat, grundsätzliche Bedeutung und kann sich auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen erneut stellen. Der BGH hat diese Rechtsfrage, soweit für den Senat ersichtlich, bislang jedoch noch nicht entschieden, weshalb die Revision zugelassen wurde.
Linkhinweis:
Justizportal Rheinland-Pfalz
Die Klägerin bietet auf ihrer Homepage Landkarten und Stadtpläne an. Nutzer können sich nach Eingabe einer Adresse kostenfrei bestimmte Kartenausschnitte anzeigen lassen. Eine darüber hinausgehende Nutzung wird von der Klägerin zur Lizenzierung angeboten. Dies betrifft insbesondere das Recht, Kartenausschnitte auf Netzauftritten zu verwenden (wie etwa www.berlin.de).
Die beklagte rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde hat auf der von ihr für eine verbandsangehörige Stadt betriebenen Webseite eine Karte ins Netzt gestellt, an der die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte hält. Die Beklagte hatte das Kartenmaterial als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten und veröffentlichte das Exposé zur Darlegung einer baurechtlich "atypischen Fallgestaltung" im Rahmen eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens. Hiermit wollte sie der Pflicht genügen, die entsprechenden Unterlagen "in das Internet einzustellen" (§ 4 a Abs. 4 BauGB). Um ein Nutzungsrecht an dem streitgegenständlichen Kartenmaterial hatte die Beklagte bei der Klägerin zuvor weder nachgesucht noch ein solches erhalten.
Im Juli 2017 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Zugleich bot die Klägerin der Beklagten erfolglos den Abschluss eines Lizenzvertrages an. Die Beklagte verteidigte sich in erster Linie damit, dass sie das streitgegenständliche Material lediglich pflichtgemäß im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bauleitplanung veröffentlicht habe. Zudem sei das Kartenmaterial zum Zeitpunkt der Abmahnung durch die Klägerin bereits nicht mehr öffentlich zugänglich gewesen.
Das LG wies die Unterlassungsklage ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und gab der Klage statt. Allerdings wurde gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein (verschuldensunabhängiger) Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu, da diese sie in dem Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes (§ 19 a UrhG) verletzt hat. Entgegen der Meinung der Vorinstanz ist der Urheberrechtsschutz für die Klägerin im Streitfall nicht nach § 5 UrhG ausgeschlossen.
§ 5 UrhG stellt amtliche Werke urheberrechtsfrei, um einem öffentlichen Informationsinteresse zu genügen. Infolgedessen ist der für § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG zentrale Begriff des "amtlichen Werks" auszulegen, was vorliegend zu dem Ergebnis führt, dass ein solches nicht vorliegt. Denn bei der gebotenen engen Auslegung kann von einem amtlichen Werk nur dann ausgegangen werden, wenn dieses von vornherein hoheitlichen Zwecken zu dienen bestimmt war. Die Vorschrift rechtfertigt es hingegen nicht, Werke, die ursprünglich zu nicht amtlichen Zwecken erstellt wurden und demzufolge Urheberrechtsschutz genossen haben, zu amtlichen Äußerungen "umzuwidmen" und auf diese Weise eine nachträgliche "Enteignung" privater Urheber im Wege einer Art von vergütungsloser Zwangslizenz herbeizuführen.
Bereits ein (allgemeines) besonderes Publizitätsinteresse an dem streitgegenständlichen Kartenmaterial liegt nicht vor. Ein solches könnte sich zwar aus dem "regelnden" Charakter eines Werkes ergeben. Das streitgegenständliche Kartenmaterial erfüllt diese Voraussetzung jedoch gerade nicht. Das besondere Informationsinteresse an Werken mit regelndem Charakter beruht gerade auf der Singularität dieser Werke (Regelungen), aus welcher sich das Publizitätsgebot speist. Diese Singularität haftet dem hier in Rede stehenden Material jedoch nicht an: Denn die Karte wäre ohne weiteres (entgeltlich) auf dem Markt zu beschaffen gewesen.
Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 UrhG geht es um die Austarierung der Reichweite der Schutzsphäre des Urhebers auf der einen und des Allgemeininteresses an der Publizität von "amtlichen Werken" auf der anderen Seite. Dabei hat die Frage, ob die Urheberrechtsfreiheit nach § 5 Abs. 1 UrhG für ein sog. amtliches Werk auch dann eintritt, wenn der private Rechtehalter der Verwendung seines Werkes hierfür - wie im Streitfall - nicht zugestimmt hat, grundsätzliche Bedeutung und kann sich auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen erneut stellen. Der BGH hat diese Rechtsfrage, soweit für den Senat ersichtlich, bislang jedoch noch nicht entschieden, weshalb die Revision zugelassen wurde.
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