Verspätete Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen lässt nicht zwangsläufig auf Kenntnis der Zahlungseinstellung schließen
BGH 7.11.2013, IX ZR 49/13Der Kläger ist seit Mai 2007 Insolvenzverwalter in dem auf den Eigenantrag vom 26.2.2007 über das Vermögen der A-GmbH & Co. KG eröffnete Insolvenzverfahren. Die A-GmbH & Co. KG hatte Gesamtverbindlichkeiten von mehr als 390.000 € und trotzdem zwischen Februar und Dezember 2006 von ihr geschuldete Sozialversicherungsbeiträge i.H. eines Gesamtbetrages von 15.320 € an die Beklagte entrichtet. Die Zahlungen erfolgten einschließlich zwischenzeitlich angefallener Säumniszuschläge und Mahngebühren in einer Größenordnung von monatlich rund 1.300 € bis 2.300 €. Der Ausgleich fand, ohne dass Zahlungsrückstände verblieben, jeweils etwa drei bis vier Wochen nach Fälligkeit statt.
Der Kläger verlangte unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung Erstattung sämtlicher Zahlungen. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Zu Recht hatten die Vorinstanzen eine Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO für die von der A-GmbH & Co. KG im Zeitraum von Februar bis Oktober 2006 bewirkten Zahlungen abgelehnt.
Die Kenntnis der Beklagten von der Liquiditätslage beschränkte sich auf den Umstand, dass die A-GmbH & Co. KG über zehn Monate die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge jeweils um drei bis vier Wochen verspätet gezahlt hatte. Zwar bildet die Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen infolge ihrer Strafbewehrtheit (§ 266a StGB) ein Beweisanzeichen, das den Schluss auf eine Zahlungseinstellung gestatten kann. Denn in Fällen einer verspäteten Zahlung wird angenommen, dass erst eine mehrmonatige Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Zahlungseinstellung umfassend glaubhaft macht. Allerdings lag hier eine solche Gestaltung nicht vor, weil die Sozialversicherungsbeiträge lediglich mit einer Verzögerung von jeweils drei bis vier Wochen beglichen worden waren.
Außerdem war das Beweisanzeichen auch deshalb als nicht sehr schwerwiegend zu gewichten, weil die Zahlungsrückstände angesichts von Beträgen zwischen 1.300 € und 2.300 € mit Rücksicht auf den Umfang des Geschäftsbetriebs der A-GmbH & Co. KG und ihre vom Kläger mitgeteilten Gesamtverbindlichkeiten von mehr als 390.000 € keine besonders hohen Summen erreichten. Auch wenn die A-GmbH & Co. KG zur Tilgung der Rückstände eine Frist von drei bis vier Wochen benötigte und damit den für eine Kreditbeschaffung eröffneten Zeitraum überschritten hatte, konnte aus Sicht der Beklagten wegen der geringen Höhe der Verbindlichkeiten eine nur geringfügige Liquiditätslücke vorliegen.
Der Beklagten musste sich, weil die Beitragsforderungen einschließlich der Säumniszuschläge und Mahngebühren vollständig erfüllt wurden, auch nicht zwingend der Schluss aufdrängen, dass Verbindlichkeiten anderer Gläubiger unbeglichen blieben. Da der Beklagten weitere auf eine Zahlungseinstellung hindeutende Beweisanzeichen nicht geläufig waren, konnte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung zu der Bewertung gelangen, dass sie die Zahlungsunfähigkeit und damit der Benachteiligungsvorsatz der A-GmbH & Co. KG nicht erkannt hatte.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.