Verstoß des Zahlungsdienstleisters gegen Verbot der Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel
BGH v. 19.9.2023 - XI ZR 343/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus der Erbringung von Zahlungsdienstleistungen. Die Klägerin ist ein in England eingetragenes E-Geld- und Zahlungsinstitut, das Zahlungsdienste online anbietet. Der Beklagte eröffnete am 28.2.2009 bei der Klägerin ein Konto und hinterlegte bei seiner Registrierung als Referenzkonto eines deutschen Kreditinstituts sein Konto bei der U. AG. Das Konto des Beklagten bei der Klägerin wies am 26.6.2018 einen Saldo i.H.v. 0 € auf, bevor es der Beklagte am selben Tag dreimal mit 250 € und einmal mit 500 € sowie am 29.6.2018 neunmal mit 500 € per Online-Überweisung auflud. Der Beklagte nutzte hierzu 13 individuelle TANs im sog. PIN/TAN-Verfahren. Sobald die jeweils bestätigte Zahlungsanweisung an die Hausbank erfolgte, leitete dazu ein Zahlungsauslösedienst eine Nachricht an die Klägerin mit dem Inhalt weiter, dass der Kunde eine unwiderrufliche Zahlungsanweisung an seine Hausbank übermittelt habe. Nachdem diese Nachricht bei der Klägerin eingegangen war, schrieb sie den Aufladungsbetrag gut, ohne jedoch das Geld von der Hausbank des Kunden hier der U. AG bereits erhalten zu haben; dies dauerte in der Regel einige Bankwerktage. Nach Nr. 1.7 ihrer AGB behielt sich die U. AG vor, die Ausführung der Überweisung abzulehnen, wenn etwa keine ausreichende Kontodeckung vorhanden war.
Der Beklagte loggte sich mit seinem Benutzernamen und Passwort in sein Konto bei der Klägerin ein und erteilte ihr Zahlungsaufträge. Am 29.6.2018 wies sein Konto wieder einen Saldo von 0 € auf. Am 6.7.2018 wurden die letzten fünf Online-Überweisungen vom 29.6.2018 über jeweils 500 € storniert. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Erstattung des stornierten Aufladungsbetrags i.H.v. 2.500 € sowie die Zahlung einer Rückbuchungsgebühr und die Erstattung der Auslagen für eine Einwohnermeldeamtsanfrage, von Inkassokosten und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (insgesamt rd. 620 €) nebst Zinsen. Insoweit behauptet sie, der Beklagte habe die sofortige Zurverfügungstellung des Aufladungsbetrags zu seinen Gunsten ausgenutzt, indem entweder er die U. AG angewiesen habe, die Online-Überweisungen zu stornieren, oder die U. AG die Ausführung der Online-Überweisungen mangels ausreichender Kontodeckung abgelehnt habe. Der Beklagte wendet ein, die von der Klägerin durchgeführten Zahlungen hätten im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem unerlaubten Online-Glücksspiel gestanden, bei dem er den streitgegenständlichen Betrag verspielt habe, weshalb die Klägerin keine Erstattung verlangen könne. Hilfsweise erklärte er die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.500 €, weil die Klägerin jedenfalls eine entsprechende Warnpflicht verletzt habe.
Das AG gab der Klage bis auf einen Teil der Nebenforderungen im Wesentlichen statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin gegen den Beklagten der in der Hauptsache geltend gemachte Zahlungsanspruch i.H.v. 2.500 € aus § 675c Abs. 1, § 670 BGB zu.
Das LG hat allerdings zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Zahlungsdiensterahmenvertrag nach § 675f Abs. 2 BGB zustande gekommen ist. Der Aufladung des Kontos des Beklagten bei der Klägerin und der anschließenden Verwendung des Aufladungsbetrags lag rechtsgeschäftlich die Ausgabe und Nutzung von E-Geld i.S.v. § 675c Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 ZAG zugrunde. Aufgrund dessen steht der Klägerin infolge der Ausführung der Zahlungsvorgänge ein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen aus § 675c Abs. 1, Abs. 2, § 670 BGB gegen den Beklagten zu.
Dieser Anspruch ist nicht gem. § 675u Satz 1 BGB ausgeschlossen, weil es sich bei den zugrundeliegenden Zahlungsaufträgen um autorisierte Zahlungsvorgänge handelte. Der Beklagte hat die einzelnen E-Geld-Zahlungen von seinem Konto bei der Klägerin an das Onlinecasino unstreitig autorisiert. Die Autorisierungen sind nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 nichtig. Wie der Senat mit Beschluss vom 13.9.2022 (XI ZR 515/21) entschieden und eingehend begründet hat, beinhaltet die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 zwar ein hier an die Klägerin gerichtetes Verbot, an Zahlungen i.Z.m. unerlaubtem Glücksspiel mitzuwirken. Ein solcher hier vom LG allerdings nicht festgestellter Verstoß zieht aber nicht die Nichtigkeit der Autorisierungen nach sich, weil die Vorschrift kein gesetzliches Verbot mit Nichtigkeitsfolge i.S.d. § 134 BGB enthält. Dagegen bringt die Revisionserwiderung keine neuen Argumente vor.
Soweit die Revisionserwiderung aus dem Umstand, dass die Klägerin mit dem Onlinecasino sog. Akzeptanz- bzw. Kooperationsverträge abgeschlossen hat, und den weiteren Annahmen des LG, nach dem Internetauftritt der Klägerin sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin auf Online-Glücksspiele spezialisiert habe, mit einer Vielzahl von Onlinecasinos verlinkt sei und diese Geschäftsverbindung gegenüber ihren Kunden in deutscher Sprache bewerbe, ableitet, dass die Klägerin eine exponierte Stellung bei der Förderung von ausländischen Online-Glücksspielen innegehabt habe und aus diesem Grund die Nichtigkeit des Spielvertrags auf das Deckungsverhältnis zwischen den Parteien durchschlage, trifft dies nicht zu. Bei den sogenannten Akzeptanz- bzw. Kooperationsverträgen handelt es sich lediglich um den sog. Akquisitionsvertrag i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ZAG, der als Rahmenvertrag das Zuwendungs- oder Vollzugsverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsempfänger regelt. Für die Annahme eines darüberhinausgehenden Zusammenwirkens der Klägerin mit dem Onlinecasino bei der Glücksspielveranstaltung als solcher fehlt es dagegen an einer tatsächlichen Grundlage.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Kein Erstattungsanspruch des Bankkunden gegen Bank wegen Belastungen seines Kontos nach Autorisierung von Kreditkartenzahlungen für illegale Glücksspiele
BGH vom 13.09.2022 - XI ZR 515/21
ZIP 2022, 2272
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Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus der Erbringung von Zahlungsdienstleistungen. Die Klägerin ist ein in England eingetragenes E-Geld- und Zahlungsinstitut, das Zahlungsdienste online anbietet. Der Beklagte eröffnete am 28.2.2009 bei der Klägerin ein Konto und hinterlegte bei seiner Registrierung als Referenzkonto eines deutschen Kreditinstituts sein Konto bei der U. AG. Das Konto des Beklagten bei der Klägerin wies am 26.6.2018 einen Saldo i.H.v. 0 € auf, bevor es der Beklagte am selben Tag dreimal mit 250 € und einmal mit 500 € sowie am 29.6.2018 neunmal mit 500 € per Online-Überweisung auflud. Der Beklagte nutzte hierzu 13 individuelle TANs im sog. PIN/TAN-Verfahren. Sobald die jeweils bestätigte Zahlungsanweisung an die Hausbank erfolgte, leitete dazu ein Zahlungsauslösedienst eine Nachricht an die Klägerin mit dem Inhalt weiter, dass der Kunde eine unwiderrufliche Zahlungsanweisung an seine Hausbank übermittelt habe. Nachdem diese Nachricht bei der Klägerin eingegangen war, schrieb sie den Aufladungsbetrag gut, ohne jedoch das Geld von der Hausbank des Kunden hier der U. AG bereits erhalten zu haben; dies dauerte in der Regel einige Bankwerktage. Nach Nr. 1.7 ihrer AGB behielt sich die U. AG vor, die Ausführung der Überweisung abzulehnen, wenn etwa keine ausreichende Kontodeckung vorhanden war.
Der Beklagte loggte sich mit seinem Benutzernamen und Passwort in sein Konto bei der Klägerin ein und erteilte ihr Zahlungsaufträge. Am 29.6.2018 wies sein Konto wieder einen Saldo von 0 € auf. Am 6.7.2018 wurden die letzten fünf Online-Überweisungen vom 29.6.2018 über jeweils 500 € storniert. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Erstattung des stornierten Aufladungsbetrags i.H.v. 2.500 € sowie die Zahlung einer Rückbuchungsgebühr und die Erstattung der Auslagen für eine Einwohnermeldeamtsanfrage, von Inkassokosten und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren (insgesamt rd. 620 €) nebst Zinsen. Insoweit behauptet sie, der Beklagte habe die sofortige Zurverfügungstellung des Aufladungsbetrags zu seinen Gunsten ausgenutzt, indem entweder er die U. AG angewiesen habe, die Online-Überweisungen zu stornieren, oder die U. AG die Ausführung der Online-Überweisungen mangels ausreichender Kontodeckung abgelehnt habe. Der Beklagte wendet ein, die von der Klägerin durchgeführten Zahlungen hätten im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem unerlaubten Online-Glücksspiel gestanden, bei dem er den streitgegenständlichen Betrag verspielt habe, weshalb die Klägerin keine Erstattung verlangen könne. Hilfsweise erklärte er die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.500 €, weil die Klägerin jedenfalls eine entsprechende Warnpflicht verletzt habe.
Das AG gab der Klage bis auf einen Teil der Nebenforderungen im Wesentlichen statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin gegen den Beklagten der in der Hauptsache geltend gemachte Zahlungsanspruch i.H.v. 2.500 € aus § 675c Abs. 1, § 670 BGB zu.
Das LG hat allerdings zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Zahlungsdiensterahmenvertrag nach § 675f Abs. 2 BGB zustande gekommen ist. Der Aufladung des Kontos des Beklagten bei der Klägerin und der anschließenden Verwendung des Aufladungsbetrags lag rechtsgeschäftlich die Ausgabe und Nutzung von E-Geld i.S.v. § 675c Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 ZAG zugrunde. Aufgrund dessen steht der Klägerin infolge der Ausführung der Zahlungsvorgänge ein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen aus § 675c Abs. 1, Abs. 2, § 670 BGB gegen den Beklagten zu.
Dieser Anspruch ist nicht gem. § 675u Satz 1 BGB ausgeschlossen, weil es sich bei den zugrundeliegenden Zahlungsaufträgen um autorisierte Zahlungsvorgänge handelte. Der Beklagte hat die einzelnen E-Geld-Zahlungen von seinem Konto bei der Klägerin an das Onlinecasino unstreitig autorisiert. Die Autorisierungen sind nicht gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 nichtig. Wie der Senat mit Beschluss vom 13.9.2022 (XI ZR 515/21) entschieden und eingehend begründet hat, beinhaltet die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 GlüStV 2011 zwar ein hier an die Klägerin gerichtetes Verbot, an Zahlungen i.Z.m. unerlaubtem Glücksspiel mitzuwirken. Ein solcher hier vom LG allerdings nicht festgestellter Verstoß zieht aber nicht die Nichtigkeit der Autorisierungen nach sich, weil die Vorschrift kein gesetzliches Verbot mit Nichtigkeitsfolge i.S.d. § 134 BGB enthält. Dagegen bringt die Revisionserwiderung keine neuen Argumente vor.
Soweit die Revisionserwiderung aus dem Umstand, dass die Klägerin mit dem Onlinecasino sog. Akzeptanz- bzw. Kooperationsverträge abgeschlossen hat, und den weiteren Annahmen des LG, nach dem Internetauftritt der Klägerin sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin auf Online-Glücksspiele spezialisiert habe, mit einer Vielzahl von Onlinecasinos verlinkt sei und diese Geschäftsverbindung gegenüber ihren Kunden in deutscher Sprache bewerbe, ableitet, dass die Klägerin eine exponierte Stellung bei der Förderung von ausländischen Online-Glücksspielen innegehabt habe und aus diesem Grund die Nichtigkeit des Spielvertrags auf das Deckungsverhältnis zwischen den Parteien durchschlage, trifft dies nicht zu. Bei den sogenannten Akzeptanz- bzw. Kooperationsverträgen handelt es sich lediglich um den sog. Akquisitionsvertrag i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ZAG, der als Rahmenvertrag das Zuwendungs- oder Vollzugsverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsempfänger regelt. Für die Annahme eines darüberhinausgehenden Zusammenwirkens der Klägerin mit dem Onlinecasino bei der Glücksspielveranstaltung als solcher fehlt es dagegen an einer tatsächlichen Grundlage.
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