Verstoß gegen § 57 AktG führt nicht zur Nichtigkeit des Rückgewährgeschäfts
BGH 12.3.2013, II ZR 179/12Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der W-AG, deren Aktionärin die W-GmbH, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, war. Im September 1995 hatte die W-AG alle Geschäftsanteile an der A-GmbH im Nennwert von 1 Mio. DM zum Kaufpreis von 1,2 Mio. DM an die W-GmbH verkauft. Zum Zeitpunkt des Verkaufs und der Abtretung war Prof. Dr. W. Vorstandsmitglied der W-AG. Diese wurde dabei von zwei anderen Vorstandsmitgliedern vertreten. Auf Seiten der Erwerberin handelte der Sohn von Prof. Dr. W., der einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der W-GmbH war. Am Stammkapital der Käuferin war zum Zeitpunkt des Erwerbs Prof. Dr. W. mit 24,99 %, seine Ehefrau mit 9,07 % und drei Kinder mit jeweils 17,06 % beteiligt, darunter der geschäftsführende Sohn.
Der Kläger war der Auffassung, dass der Kauf- und Abtretungsvertrag nichtig sei. Schließlich sei der Verkauf der Geschäftsanteile eine verbotene Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG, weil die Geschäftsanteile im September 1995 mehr als 3,7 Mio. € wert gewesen seien und der Kaufpreis dazu in einem objektiven Missverhältnis stehe. Außerdem sei die W-AG durch den Vorstand nicht wirksam vertreten worden. Zwischen der Käuferin und dem damaligen Vorstandsmitglied Prof. Dr. W. bestehe wirtschaftliche Identität, so dass die W-AG nach § 112 AktG durch ihren Aufsichtsrat hätte vertreten werden müssen. Infolgedessen sei die W-AG weiterhin Gesellschafterin der A-GmbH.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Die Gründe:
Die W-AG ist nicht Gesellschafterin der A-GmbH geblieben. Der Kauf- und Abtretungsvertrag war wirksam.
Die W-AG war vom Vorstand wirksam vertreten worden. Zwar vertritt die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern der Aufsichtsrat. Die Käuferin war aber nicht mit dem Vorstandsmitglied Prof. Dr. W. gleichzusetzen. Dieser war nur zu knapp 25 % an der Käuferin beteiligt. Und auch die familiäre Verbundenheit zu anderen Gesellschaftern der Käuferin führte nicht zu einer Zurechnung von deren Anteilen. Ein Interessenkonflikt kann bei Geschäften mit Gesellschaften, an denen neben einem Vorstandsmitglied Mitglieder seiner Familie beteiligt sind, nicht von vorneherein unterstellt werden, da die Interessen der Mitglieder einer Familie nicht stets gleich laufen und eine dahingehende Vermutung keine Grundlage hätte. Das Verbot in § 89 Abs. 3 AktG betrifft nur bestimmte Geschäfte.
Auch, wenn im vorliegenden Fall von eine verbotenen Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG auszugehen war, konnte weder eine Nichtigkeit des Verpflichtungs- noch des Erfüllungsgeschäft angenommen werden. Verstößt ein Rechtsgeschäft gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr, führt das nicht nach § 134 BGB zu dessen Nichtigkeit, weil § 62 AktG die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr als spezialgesetzliche Vorschrift anders regelt. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nur dann nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Eine solche andere gesetzliche Regelung enthält § 62 AktG. §§ 57, 62 AktG sind dahin auszulegen, dass bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr weder das der verbotenen Leistung an den Aktionär zugrundeliegende Verpflichtungs- noch das Erfüllungsgeschäft nichtig ist. Die Annahme einer Nichtigkeit führt zu Konkurrenzproblemen mit dem Anspruch nach § 62 AktG und stellt für den Kapitalschutz bei der AG keine angemessene Lösung dar.
Zwar verstärkt die Annahme einer Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts den insolvenzrechtlichen Schutz, da der Gesellschaft im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Empfängers des unter Verstoß gegen § 57 AktG übertragenen Gegenstands nach § 47 InsO ein Recht auf Aussonderung des wegen des nichtigen Erfüllungsgeschäfts nicht zur Insolvenzmasse gehörigen Gegenstands zusteht. Die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts führt aber bei der Übertragung von beweglichen Sachen, Grundstücken und Rechten zu unterschiedlichen Ergebnissen schon hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen. Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB verjährt in 30 Jahren; bei der unwirksamen Übertragung von Rechten gibt es keine Verjährung. Das steht wiederum in Widerspruch zur Verjährungsfrist nach § 62 Abs. 3 AktG.
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