23.01.2020

Vertragsstrafenansprüche: Missbräuchliche Ausnutzung einer nur formalen Rechtsstellung durch Inhaber eines Kennzeichenrechts

Den Grundsätzen von Treu und Glauben kann es widersprechen, wenn der Inhaber eines Kennzeichenrechts sich bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen auf eine nur formale Rechtsstellung beruft. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat - vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potenziellen konkreten Beratungskonzepts - und die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.

BGH v. 23.10.2019 - I ZR 46/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin der Unions-Bildmarke "DA VINCI", die unter der Registernummer 005631304 seit November 2012 eingetragen ist und für Waren der Klasse 11, u.a. Beleuchtungsgeräte, sowie der Klassen 16, 18, 28 und 41 Schutz beansprucht (im Folgenden: Klagemarke). Die Klägerin ist Inhaberin von elf weiteren eingetragenen deutschen und Unions-Wort- und Bildmarken, die jeweils die Namen berühmter Künstler tragen. So ist sie Inhaberin der Unions-Wortmarke "DA VINCI", die seit Juli 2011 unter der Registernummer 004228953 eingetragen ist und für Waren und Dienstleistungen der Klassen 8, 9, 35, 36 und 38 Schutz beansprucht. Ferner ist sie Inhaberin der deutschen Wortmarke "DA VINCI", die seit Januar 2008 unter der Registernummer 30439598 eingetragen ist und für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 25 und 27 Schutz beansprucht.

Im Dezember 2014 mahnte die Klägerin die Beklagten unter Hinweis auf die Klagemarke ab, weil diese auf der Internethandelsplattform eBay eine Salzlampe unter der Bezeichnung "Davinci" anboten. Die Beklagten beendeten unverzüglich nach Erhalt des Abmahnschreibens sämtliche Angebote und Auktionen und gaben am 12.12.2014 strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab. Am 27.1.2015 stellte die Klägerin fest, dass unter zwei Artikelnummern bereits beendete Angebote der Beklagten für eine "Salzlampe 'Da-vinci' 9-12 kg, 27 cm hoch, Tischlampe, Dekolampe, Designerleuchte" weiterhin auf eBay aufgerufen und eingesehen werden konnten. Die Angebote waren nur einsehbar, wenn nach der jeweiligen Artikelnummer gesucht wurde. Nach Aufforderung der Klägerin ließen die Beklagten die beendeten Angebote löschen. Im März 2015 forderte die Klägerin von den Beklagten erfolglos die Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 6.900 €, die sie später auf 3.500 € herabsetzte. Daraufhin erhob die Klägerin Klage und beantragte, die Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 5.000 € infolge der Verwirkung der Vertragsstrafe aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu zahlen.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus § 339 Satz 2 BGB i.V.m. den Unterlassungsverträgen von Dezember 2014 mit Recht abgelehnt. Der Geltendmachung der Vertragsstrafe steht die von den Beklagten erhobene Einrede des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB entgegen.

Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung rechtsmissbräuchlich ist, beurteilt sich gem. § 242 BGB nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung den Schluss rechtfertigt, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafenansprüche gegen Treu und Glauben verstößt.

Den Grundsätzen von Treu und Glauben kann es widersprechen, wenn der Inhaber eines Kennzeichenrechts sich bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen auf eine nur formale Rechtsstellung beruft. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat - vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potenziellen konkreten Beratungskonzepts - und die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.

Danach kann sich die Klägerin auf die vertraglichen Rechte aus den Unterlassungserklärungen nicht berufen, nachdem die Beklagten die Einrede des Rechtsmissbrauchs erhoben haben. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Klägerin die Klagemarke für Beleuchtungsgeräte ohne ernsthaften Benutzungswillen zu dem Zweck angemeldet hat, Zeichennutzer mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen überziehen zu können.

Das OLG hat angenommen, die Klägerin habe neben der Klagemarke weitere elf Marken angemeldet, die teils für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen unterschiedlichster Branchen Schutz beanspruchten. Ein Konzept zur Nutzung der Marken sei nicht ersichtlich. In einem solchen Fall treffe den Markeninhaber eine gesteigerte sekundäre Darlegungslast. Er müsse die hinter den Markenanmeldungen stehenden Überlegungen schildern und die jeweils entfalteten Vermarktungsbemühungen und die hierbei erzielten Erfolge im Rahmen des Zumutbaren offenlegen. Die Klägerin habe kein einziges Konzept zur Vermarktung irgendeiner ihrer Marken präsentiert, sondern nur pauschal jahrelange, umfangreiche Benutzungshandlungen behauptet. Diese Feststellungen des Tatgerichts sind revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob sie verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind oder das Berufungsgericht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat. Ein derartiger Rechtsfehler wird hier von der Revision nicht aufgezeigt.
BGH online
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