Verurteilung der Sarasin-Bank zur Zahlung von 45 Mio. € an Drogerie-Unternehmer Müller bestätigt
OLG Stuttgart 14.9.2018, 5 U 98/17Der Kläger verfügte im Jahr 2013 über ein europaweites Netz von 670 Drogerien und unterhielt zu der Züricher Zweigniederlassung der beklagten Baseler Privatbank seit 2005 eine Geschäftsbeziehung. Sowohl er persönlich als auch die Müller Holding Ltd. & Co. KG, die die Finanzgeschäfte der Unternehmensgruppe abwickelt, haben Konten bei der Beklagten. Der Kläger hatte jedoch bis zum Frühjahr 2010 keinen Kapitalanlage- oder Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen.
Ab März 2010 kam es zu Verhandlungen zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und dem Kläger über eine mögliche Fondsbeteiligung des Klägers. Im Zuge dessen erwarb die beauftragte Bank für Rechnung des Klägers 50.000 Anteile an dem Luxemburger Sheridan Fonds und rechnete dafür rd. 50 Mio. € ab. Das Geschäftsmodell des Sheridan Fonds war ein sog. "Dividendenstripping" in der Variante der "Cum-Ex-Geschäfte", die teilweise - je nach konkretem Vorgehen - hochriskant und steuerlich umstritten sind. Die Staatsanwaltschaft Köln führt in Zusammenhang mit diesem Anlagemodell ein Ermittlungsverfahren u.a. gegen einen Mitarbeiter der Beklagten.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung von rd. 45 Mio. €, da sie ihn bei seiner Kapitalanlage falsch beraten habe. Weitere 5 Mio. € waren bereits vorgerichtlich zurückbezahlt worden. Im Gegenzug sollte der Kläger seine Anteile an dem Sheridan Solution SICAV-FIS Equity Arbitrage Fund rückübertragen.
Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat dem Kläger zu Recht einen Zahlungsanspruch zugebilligt.
Zwischen dem Kläger als Vertragspartner und der Bank ist ein konkludenter Anlageberatungsvertrag zum Sheridan Fonds geschlossen worden. Dabei hat die Beklagte ihre Beratungspflichten verletzt. Der Kläger ist - auch aus damaliger Sicht - unzulänglich informiert worden. Die Bank hat den Fonds nicht hinreichend mit banküblichem kritischem Sachverstand in steuerlicher und wirtschaftlicher Hinsicht geprüft. Vielmehr hat sie allenfalls Plausibilitätserwägungen angestellt, wie durch das Anlagemodell die erwarteten hohen Erträge erzeugt werden können.
Der Kläger wurde auch nicht auf Bedenken gegen das Anlagekonzept hingewiesen, das im Wesentlichen von einem Erfolg der Investition nur bei einer Steuerrückerstattung ausging. Der Beklagten war bekannt, dass gerade das Bestehen solcher Steuerrückerstattungsansprüche zweifelhaft war. Insbesondere war höchst fraglich, ob solche Erstattungsansprüche überhaupt geltend gemacht werden konnten, nachdem das BMF gewillt war, angeblichen Steuermissbräuchen entschlossen entgegenzutreten.
Es ist daher eine Pflichtverletzung der Beklagten u.a. darin zu sehen, dass sie die verkaufte Anlage nicht hinreichend geprüft hat. Daran ändern weder der entsprechende Prospekt, dessen Aushändigung streitig ist, noch die vorgelegten Steuergutachten etwas. Im Übrigen kann der Kläger neben der verzinsten Rückzahlung auch seine vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. rd. 270.000 € von der Beklagten erstattet verlangen.