Videoüberwachung im Passauer Klostergarten rechtswidrig - Keine Sperrwirkung der DSGVO
BayVGH v. 30.5.2023 - 5 BV 20.2104
Der Sachverhalt:
Beim Klostergarten handelt es sich um ein größeres Areal in der Passauer Innenstadt, das teilweise begrünt ist und der örtlichen Bevölkerung v.a. in den Sommermonaten als Erholungsort dient. Wegen der nahegelegenen Universität sowie des Zentralen Omnibusbahnhofs wird der Klostergarten täglich von mehreren tausend Menschen durchquert. Auf Wunsch der Polizei, die den Klostergarten insbesondere in den Sommermonaten als polizeilichen Brennpunkt ansah, beschloss der Passauer Stadtrat im Jahr 2018 die Installation einer Videoüberwachung des Areals für 19 Stunden pro Tag durch zehn fest installierte Kameras, wobei zwei der Kameras schwenk- und zoombar sind.
Gegen die Videoüberwachung legte ein Ortsansässiger, der auch im Passauer Stadtrat sitzt, Klage beim VerwG ein. Das VerwG wies die Klage in erster Instanz ab.
Der BayVGH hat die Videoüberwachung im Passauer Klostergarten als rechtswidrig eingestuft und die Stadt verpflichtet, die Videoüberwachung des Klägers zu unterlassen. Gegen das Urteil kann die Stadt Passau innerhalb von einem Monat Nichtzulassungsbeschwerde zum BVerwG einlegen.
Die Gründe:
Die Videoüberwachung einer kommunalen Einrichtung gemäß Art. 24 Abs. 1 BayDSG ist keine Maßnahme zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DSGVO. Die Datenschutz-Richtlinie für Justiz und Inneres (sog. JI-Richtlinie) ist dafür nicht einschlägig.
Art. 79 Abs. 1 DSGVO schließt eine Unterlassungsklage betroffener Personen analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG gegen eine rechtswidrige Verarbeitung ihrer Daten nicht aus.
Entgegen der Auffassung des VerwG ist neben der Beschwerdemöglichkeit nach der DSGVO auch eine Unterlassungsklage betroffener Personen bei den Verwaltungsgerichten zulässig. Die DSGVO entfaltet keine Sperrwirkung. Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassung, weil die Voraussetzungen für eine Überwachung des Klostergartens als öffentliche Einrichtung der Stadt nicht vorliegen.
Die Videoüberwachung ist zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks weder erforderlich noch geeignet. Die Stadt Passau hat die für eine Videoüberwachung erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit der sich im Klostergarten aufhaltenden Personen oder für die öffentliche Einrichtung selbst nicht nachweisen können. Die Vorfallsdokumentationen der Stadt zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zeigen vielmehr, dass die Einführung der Videoüberwachung keine nennenswerte Auswirkung gehabt hat. Bei der dargelegten Gefahrenlage überwiegen die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen gerade bei der Ausübung von Freizeitaktivitäten das Interesse der Stadt Passau an der Videoüberwachung. Der Kläger wird durch die Kameras in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Sperrwirkung der DSGVO: Kein Rückgriff auf § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (analog) für Unterlassungsansprüche
Patrick Koetsier / Sascha Kremer, CR 2023, 359
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BayVGH PM vom 6.6.2023
Beim Klostergarten handelt es sich um ein größeres Areal in der Passauer Innenstadt, das teilweise begrünt ist und der örtlichen Bevölkerung v.a. in den Sommermonaten als Erholungsort dient. Wegen der nahegelegenen Universität sowie des Zentralen Omnibusbahnhofs wird der Klostergarten täglich von mehreren tausend Menschen durchquert. Auf Wunsch der Polizei, die den Klostergarten insbesondere in den Sommermonaten als polizeilichen Brennpunkt ansah, beschloss der Passauer Stadtrat im Jahr 2018 die Installation einer Videoüberwachung des Areals für 19 Stunden pro Tag durch zehn fest installierte Kameras, wobei zwei der Kameras schwenk- und zoombar sind.
Gegen die Videoüberwachung legte ein Ortsansässiger, der auch im Passauer Stadtrat sitzt, Klage beim VerwG ein. Das VerwG wies die Klage in erster Instanz ab.
Der BayVGH hat die Videoüberwachung im Passauer Klostergarten als rechtswidrig eingestuft und die Stadt verpflichtet, die Videoüberwachung des Klägers zu unterlassen. Gegen das Urteil kann die Stadt Passau innerhalb von einem Monat Nichtzulassungsbeschwerde zum BVerwG einlegen.
Die Gründe:
Die Videoüberwachung einer kommunalen Einrichtung gemäß Art. 24 Abs. 1 BayDSG ist keine Maßnahme zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DSGVO. Die Datenschutz-Richtlinie für Justiz und Inneres (sog. JI-Richtlinie) ist dafür nicht einschlägig.
Art. 79 Abs. 1 DSGVO schließt eine Unterlassungsklage betroffener Personen analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG gegen eine rechtswidrige Verarbeitung ihrer Daten nicht aus.
Entgegen der Auffassung des VerwG ist neben der Beschwerdemöglichkeit nach der DSGVO auch eine Unterlassungsklage betroffener Personen bei den Verwaltungsgerichten zulässig. Die DSGVO entfaltet keine Sperrwirkung. Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassung, weil die Voraussetzungen für eine Überwachung des Klostergartens als öffentliche Einrichtung der Stadt nicht vorliegen.
Die Videoüberwachung ist zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks weder erforderlich noch geeignet. Die Stadt Passau hat die für eine Videoüberwachung erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit der sich im Klostergarten aufhaltenden Personen oder für die öffentliche Einrichtung selbst nicht nachweisen können. Die Vorfallsdokumentationen der Stadt zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zeigen vielmehr, dass die Einführung der Videoüberwachung keine nennenswerte Auswirkung gehabt hat. Bei der dargelegten Gefahrenlage überwiegen die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen gerade bei der Ausübung von Freizeitaktivitäten das Interesse der Stadt Passau an der Videoüberwachung. Der Kläger wird durch die Kameras in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Aufsatz:
Sperrwirkung der DSGVO: Kein Rückgriff auf § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (analog) für Unterlassungsansprüche
Patrick Koetsier / Sascha Kremer, CR 2023, 359
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