23.05.2024

Vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist pfändbares Arbeitseinkommen

Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar. Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens.

BGH v. 25.4.2024 - IX ZB 55/23
Der Sachverhalt:
Auf Eigenantrag des Schuldners eröffnete das AG - Insolvenzgericht - am 27.2.2023 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen und bestellte die weitere Beteiligte zur Insolvenzverwalterin. Der Schuldner ist als Krankenpfleger bei einer Einrichtung der C. beschäftigt.

Gem. der Anlage 1c Abs. 1 (Prämie zur Abmilderung des schnellen Anstiegs der Verbraucherpreise) der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des C. (fortan: AVR C.), eingeführt gem. Beschluss der Bundeskommission vom 8.12.2022, gewährt der Arbeitgeber dem Schuldner eine Inflationsausgleichsprämie i.H.v. 3.000 € zahlbar in Teilbeträgen i.H.v. 1.500 € zum 30.6.2023 und zum 30.6.2024. Der Schuldner beantragte mit Schreiben vom 9.6.2023, die Unpfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie festzustellen und diese freizugeben.

Das AG lehnte den Antrag ab. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie seine vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Rechtsfehlerfrei hat das LG den beantragten Pfändungsschutz für die Inflationsausgleichsprämie über die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO hinaus abgelehnt und angenommen, dass die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie als Arbeitseinkommen in den Grenzen des § 850c ZPO pfändbar ist.

Bei der Inflationsausgleichsprämie handelt es sich um Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 1 ZPO, das nur nach Maßgabe der § 850a bis § 850i ZPO gepfändet werden kann. Arbeitseinkommen sind nach § 850 Abs. 2 ZPO u.a. die Arbeits- und Dienstlöhne. Die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens erfasst nach § 850 Abs. 4 ZPO alle Vergütungen, die dem Schuldner aus der Arbeits- und Dienstleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart. Arbeits- und Dienstlöhne sind alle wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die als Gegenleistung für Dienste gewährt werden. Arbeitseinkommen ist auch das Entgelt für Arbeitsleistungen, das freiwillig gewährt wird. Ebenso stellen Zuschüsse Arbeitseinkommen dar.

Bei der dem Schuldner gewährten Inflationsausgleichsprämie handelt es sich um eine aus eigenen Mitteln des Arbeitgebers gezahlte freiwillige Zusatzleistung zum Arbeitslohn. Die Inflationsausgleichsprämie ist keine aus öffentlichen Mitteln finanzierte staatliche Hilfsmaßnahme, sondern lediglich steuerlich und abgabenrechtlich begünstigt. Die Anlage 1c Abs. 1 ARV C. nimmt auf § 3 Nr. 11c EStG Bezug. Danach erhalten die Arbeitgeber die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmern einen steuer- und sozialversicherungsabgabenfreien Betrag i.H.v. bis zu 3.000 € zusätzlich zum Arbeitslohn zu gewähren; sie sind hierzu nicht verpflichtet.

Pfändungsschutz ist nicht nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO zu gewähren. Die Inflationsausgleichsprämie fällt nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO hat das Gericht dem Schuldner, wenn nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste gepfändet werden, auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Dagegen bestimmt sich der Pfändungsschutz für wiederkehrendes Arbeitseinkommen nach §§ 850 bis 850h ZPO. Eine nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung kann auch - neben den laufenden Bezügen - für Dienst- und Arbeitsleistungen des Schuldners in unselbständiger Arbeit geschuldet sein. Solche einmaligen Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis genießen (auch wenn sie in mehreren Raten ausgezahlt werden) nicht den besonderen Pfändungsschutz des Lohnanspruchs selbst und sind daher bei Lohnpfändung bis zu einer etwaigen Entscheidung nach § 850i ZPO in voller Höhe einzubehalten und abzuführen.

Danach bemisst sich im Streitfall der Pfändungsschutz für die Inflationsausgleichsprämie nach den §§ 850a bis 850h ZPO, insbesondere nach § 850c ZPO. Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens. Zwar erhält ein Mitarbeiter nach dem Wortlaut der Anlage 1c Abs. 1 AVR C. eine Einmalzahlung. Maßgeblich ist lediglich, ob er an mindestens einem Tag im Auszahlungsmonat Anspruch auf Dienstbezüge hat. Das spricht für den nicht wiederkehrenden Charakter der Vergütung und die Anwendbarkeit des § 850i ZPO. Allerdings erlangt der Schuldner die Prämie nach der Anlage 1c Abs. 1 AVR C. i.V.m. § 3 Nr. 11c EStG zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Gehalt. Da für die Erbringung der Arbeitsleistung ein wiederkehrendes Gehalt geschuldet ist, ist die Prämie Teil der wiederkehrend zahlbaren Vergütung. Daran ändert auch die einmalige Zahlweise der Prämie nichts. Die Inflationsausgleichsprämie vergütet weder eine von dem Schuldner erbrachte Zusatz- oder Mehrarbeit noch eine besondere einmalige Leistung. Ihr Bezugspunkt ist vielmehr die bereits mit dem laufenden Gehalt vergütete, regelmäßige Arbeitsleistung. Die Prämie erhöht bei gleichbleibender Arbeitsleistung das zu entrichtende Gehalt.

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