Von nationalen Gerichten ausgesprochene Verbote von Gemeinschaftsmarkenverletzungen gelten im gesamten Gebiet der Union
EuGH 12.4.2011, C-235/09Die Gesellschaft Chronopost SA ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke und der französischen Marke "WEBSHIPPING", die im Jahr 2000 angemeldet und für Dienstleistungen im Bereich Logistik und Übertragung von Informationen, Abholung von Postsendungen sowie Eilpostdienst eingetragen wurden. Trotz dieser Eintragung verwendete die DHL Express France SAS (die Rechtsnachfolgerin von DHL International ist) denselben Ausdruck zur Bezeichnung eines hauptsächlich über Internet zugänglichen Eilbriefdiensts.
Das Tribunal de grande instance de Paris verurteilte in seiner Eigenschaft als Gemeinschaftsmarkengericht DHL Express France wegen Verletzung der französischen Marke WEBSHIPPING, es entschied jedoch nicht über die Verletzung der Gemeinschaftsmarke. Die von Chronopost angerufene Cour d"appel bestätigte dieses Urteil und verbot DHL Express France unter Androhung eines Zwangsgelds die Fortsetzung der Benutzung der Zeichen "WEBSHIPPING" und "WEB SHIPPING". Dem Antrag von Chronopost, das Verbot auf das gesamte Gebiet der Gemeinschaft zu erstrecken, gab sie indessen nicht statt. DHL Express France legte ein Rechtsmittel ein, welches zurückgewiesen wurde.
Da Chronopost jedoch ein Anschlussrechtsmittel gegen die territoriale Beschränkung des Verbots und des Zwangsgelds eingelegt hatte, hat die Cour de cassation es für erforderlich gehalten, den EuGH um Vorabentscheidung u.a. in dieser Frage zu ersuchen:
"Ist Art. 98 der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen, dass das von einem Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochene Verbot von Rechts wegen im gesamten Gebiet der Union wirkt?"
Die Gründe:
Die Verordnung ist dahin auszulegen, dass sich ein von einem nationalen Gericht als Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochenes Verbot grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union erstreckt.
Die territoriale Reichweite eines von einem Gemeinschaftsmarkengericht angeordneten Verbots wird durch zwei Elemente bestimmt, nämlich die territoriale Zuständigkeit dieses Gerichts und das ausschließliche Recht des Inhabers der Gemeinschaftsmarke. Zum einen ist die territoriale Zuständigkeit des Markengerichts für die Entscheidung über alle Klagen wegen Verletzung und - falls das nationale Recht diese zulässt - wegen drohender Verletzung einer Gemeinschaftsmarke ausschließlich. Daher ist dieses Gericht u.a. für Verletzungshandlungen im Gebiet eines jeden Mitgliedstaats zuständig. Mithin erstreckt sich seine Zuständigkeit grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union. Zum anderen erstreckt sich das ausschließliche Recht des Inhabers einer Gemeinschaftsmarke grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union, in dem die Gemeinschaftsmarken einen einheitlichen Schutz genießen und wirksam sind.
Die territoriale Reichweite des Verbots kann jedoch in bestimmten Fällen begrenzt sein. Das ausschließliche Recht wird dem Inhaber der Gemeinschaftsmarke gewährt, damit er sich versichern kann, dass die Marke ihre Funktionen erfüllen kann. Die Ausübung dieses Rechts muss daher auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte. Daher muss das Gemeinschaftsmarkengericht die territoriale Reichweite des von ihm ausgesprochenen Verbots begrenzen, wenn es feststellt, dass die Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, sich auf einen Mitgliedstaat oder einen Teil des Gebiets der Union beschränken.
Eine von einem nationalen Gemeinschaftsmarkengericht nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts angeordnete Zwangsmaßnahme entfaltet über den Staat hinaus in den anderen Mitgliedstaaten Wirkungen. Zwangsmaßnahmen - wie ein Zwangsgeld -, die ein Gemeinschaftsmarkengericht nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts anordnet, sollen sicherstellen, dass ein von ihm ausgesprochenes Verbot der Fortsetzung von Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, befolgt wird. Wird ein Gericht eines Mitgliedstaats angerufen, in dem das Verbot verletzt worden ist, muss es daher, um die Befolgung des Verbots sicherzustellen, die mit Zwangsmaßnahmen bewehrte Entscheidung nach den Regeln und Modalitäten seines innerstaatlichen Rechts anerkennen und vollstrecken.
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