Voraussetzungen der Zurechnung des Vermittlerhandelns beim Abschluss eines Kapitalanlagegeschäftes
BGH 5.4.2017, IV ZR 437/15Der Kläger hatte im November 2004 die streitgegenständliche Kapitallebensversicherung mit einer Laufzeit von 12 Jahren unterzeichnet. Die Beiträge von insgesamt 50.000 €, die der Kläger in fünf Teilbeträgen von Ende 2004 bis Ende 2008 einzahlte, wurden in einen Anlagestock investiert, dessen Wertentwicklung die Höhe der Auszahlung am Laufzeitende bestimmen sollte, wobei der Kläger die Wahl zwischen zwei vorgegebenen Fonds hatte. Er entschied sich für einen Fonds, der US-amerikanische Risikolebensversicherungen aufgrund sog. Lebenserwartungsgutachten aufkaufte (sog. Traded Senior Life Interests, kurz: TSLI). Danach sollte der Kläger im Erlebensfall bei Vertragsende den Gegenwert der Fondsanteile ausgezahlt erhalten, während für den Todesfall ein Betrag von 60% der Gesamtbeitragssumme garantiert wurde.
Dem Vertragsabschluss vorausgegangen war ein Beratungsgespräch mit O., einem Mitarbeiter der unabhängigen C-AG, der dem Kläger u.a. die Versicherungsbedingungen, ein sog. "fact sheet", eine Beschreibung der fondsgebundenen Lebensversicherung, eine Broschüre und eine Kundenpräsentation ausgehändigt hatte. Allerdings entwickelte sich der Fonds nicht wie erwartet - hauptsächlich deshalb, weil die in den erworbenen Lebensversicherungen versicherten Personen in den USA länger lebten (bzw. noch leben) als in den Lebenserwartungsgutachten prognostiziert. Deshalb wurde Ende 2010 eine Neubewertung der Policen vorgenommen, die zu einer erheblichen Abwertung führte. Danach betrug der dem Kläger mitgeteilte Anlagewert 2012 nur noch 15.589 €.
Der Kläger beanstandete daraufhin eine unzureichende und fehlerhafte Aufklärung über das Anlageprodukt mit seinem erheblichen Verlustrisiko. Er behauptete, dass er die Anlage bei korrekter Aufklärung nicht gezeichnet hätte und verlangte von der in Liechtenstein ansässigen Beklagten Schadensersatz wegen der angeblichen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten.
LG und OLG gaben der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Verzugszinsen statt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen.
Gründe:
Nicht zu beanstanden war zwar die Annahme des Berufungsgerichtes, dass es sich bei dem Erwerb der streitgegenständlichen Lebensversicherung durch den Kläger wirtschaftlich betrachtet um ein Kapitalanlagegeschäft handelte. Ebenfalls rechtsfehlerfrei war die Auffassung, dass sich die Beklagte hinsichtlich der von ihr zu erfüllenden Anforderungen an die Aufklärung der Versicherungsnehmer nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen konnte. Rechtsfehlerhaft hatte das OLG allerdings eine der Beklagten zuzurechnende Aufklärungspflichtverletzung bejaht.
Zwar kann das Verhalten eines Versicherungsmaklers oder selbständigen Vermittlers, der als Vertragspartner des Versicherungsnehmers für diesen tätig ist, ausnahmsweise auch dem Versicherer zuzurechnen sein. Das setzt aber voraus, dass der Vermittler zugleich Aufgaben, die typischerweise dem Versicherer obliegen, mit dessen Wissen und Wollen übernimmt und damit in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Und insoweit fehlte es an tragfähigen Feststellungen dazu, dass ein solches Handeln des Zeugen im Pflichtenkreis der Beklagten vorgelegen hatte.
Soweit die schriftlichen Unterlagen eine ausreichende Darstellung der Funktion des Produkts und der mit ihm verbundenen Chancen und Risiken enthielten, kann ein bloßes Unterlassen weiterer bewertender Hinweise keine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten begründen. Zumal auch nicht festgestellt wurde, dass der Vermittler im Rahmen eines Strukturvertriebs tätig war, in dem die Beklagte ihre Versicherungen unter Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem veräußert hatte. Zwar müssen auch nicht geschuldete weitere Auskünfte richtig oder jedenfalls ex ante vertretbar sein. Hierzu hatten die Vorinstanzen aber keine konkreten Feststellungen getroffen. Das OLG hatte dem O. lediglich ein Unterlassen im Rahmen der seiner Meinung nach geschuldeten anlegergerechten Beratung zur Last gelegt. Dadurch, dass eine durch positiv abgegebene Erklärungen des Vermittlers erfolgte Entwertung der schriftlichen Darstellung nicht festgestellt worden war, unterschied sich die Streitsache entscheidend von dem Fall, der dem Senatsbeschluss vom 26.9.2012 (Az.: IV ZR 71/11) zugrunde lag.
Eine Pflichtverletzung des O. durch eine wegen unterlassener Risikohinweise sowie der Unvereinbarkeit von Anlageziel und Anlageeigenschaften fehlerhafte Produktempfehlung wäre nur dann im Pflichtenkreis der Beklagten erfolgt, wenn diese nicht nur die Aufklärung über ihr angebotenes Produkt, sondern darüber hinaus auch eine anlage- und anlegergerechte Beratung, etwa aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrages, geschuldet hätte. Für die Annahme eines derartigen Vertragsschlusses bereits im Vorfeld des Abschlusses der Lebensversicherung mit den entsprechend weitergehenden Pflichten reichten die Feststellungen des Berufungsgerichtes jedoch nicht aus.
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