Wahre Tatsachenbehauptungen über Vorgänge aus der Sozialsphäre sind grundsätzlich hinzunehmen
BVerfG 29.6.2016, 1 BvR 3487/14Der Beschwerdeführer hatte mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens, der eine Immobilienfirma betreibt, einen Rechtsstreit um Rückzahlungsansprüche (Kaution) aus einem gewerblichen Mietverhältnis geführt. Der Kläger verpflichtete sich daraufhin in einem Vergleich zur Zahlung von 1.100 € an den Beschwerdeführer. Nachdem der Beschwerdeführer das Ratenzahlungsangebot des Klägers abgelehnt hatte, erfolgte die vollständige Zahlung erst nach Stellung einer Strafanzeige und Erteilung eines Zwangsvollstreckungsauftrags.
Drei Jahre später berichtete der Beschwerdeführer unter namentlicher Nennung des Klägers über diesen Vorgang auf Internet-Portalen, welche die Möglichkeit bieten, Firmen zu suchen und eine Bewertung abzugeben. Der Kläger hatte im Ausgangsverfahren die Unterlassung dieser Äußerungen begehrt. Das LG verurteilte den Beschwerdeführer daraufhin antragsgemäß; das OLG wies seine Berufung zurück. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Das BVerfG hob die Entscheidungen der Fachgerichte auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.
Behauptungen wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre müssen grundsätzlich hingenommen werden. Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird in diesen Fällen regelmäßig erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Insofern kann auch die Nennung des Namens im Rahmen einer der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglichen Bewertung das Persönlichkeitsrecht berühren. Hierbei darf der Einbruch in die persönliche Sphäre nicht weiter gehen, als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert. Die für den Genannten entstehenden Nachteile müssen somit im rechten Verhältnis zur Schwere des geschilderten Verhaltens oder der sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen.
Eine ausreichend schwere Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers im vorliegenden Fall zeigten die angegriffenen Entscheidungen jedoch nicht auf und begründeten nicht in tragfähiger Weise, dass der Kläger die unbestritten wahren Äußerungen ausnahmsweise nicht hinnehmen musste. Sie ließen zudem nicht erkennen, dass dem Kläger ein unverhältnismäßiger Verlust an sozialer Achtung drohte. Auch seine namentliche Nennung, den auch seine Firma führt, steht nicht außer Verhältnis zum geschilderten Verhalten.
Auch soweit die Gerichte darauf abgestellt haben, dass sich der Beschwerdeführer erst drei Jahre nach dem Rechtsstreit geäußert hatte, führte dies nicht zu einem Überwiegen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Es würde nämlich den Beschwerdeführer unverhältnismäßig in seiner Meinungsfreiheit einschränken, wenn er nach einer solchen Zeitspanne von ihm erlebte unstreitig wahre Tatsachen nicht mehr äußern dürfte.
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