Wann hat ein Gläubiger Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners?
BGH 19.9.2013, IX ZR 4/13Wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge hatte die Beklagte ohne Erfolg in ein von der B-GmbH (Schuldnerin) unterhaltenes Konto gepfändet. Mangels Zahlung stellte sie im September 2008 gegen die Schuldnerin einen Insolvenzantrag. Aufgrund einer daraufhin von der Schuldnerin auf das Konto bewirkten Einzahlung überwies die Bank die rückständigen Beiträge i.H.v. 831 € an die Beklagte. Diese erklärte ihren Insolvenzantrag für erledigt.
Der Kläger ist Verwalter in dem im Januar 2010 über das Vermögen der B-GmbH eröffneten Insolvenzverfahren. Er verlangte im Wege der Insolvenzanfechtung Erstattung der an die Beklagte bewirkten Zahlung. Das AG wies die Klage ab; das LG gab ihr statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Der geltend gemachte Anfechtungsanspruch war gem. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO begründet.
Die maßgebliche Rechtshandlung der Schuldnerin war in der Auffüllung des gepfändeten Kontos zu erblicken, die erst die Befriedigung der Beklagten ermöglichte. Die Einzahlung der Gelder auf das von der Beklagten gepfändete Bankkonto hatte auch eine Gläubigerbenachteiligung ausgelöst. Fraglich war hingegen, ob die Schuldnerin die Rechtshandlung mit einem von der Beklagten erkannten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hatte.
Wird der Gläubiger tatsächlich durch eine Zahlung des Schuldners befriedigt, hat er von dessen Benachteiligungsvorsatz Kenntnis, wenn er um die Willensrichtung des Schuldners weiß und nach allgemeiner Erfahrung eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners zugrunde legen muss. Unerheblich ist, ob er über den genauen Hergang des Zahlungsflusses unterrichtet war. Dies gilt auch etwa für einen Gläubiger, der nach einer misslungenen Zwangsvollstreckung mit Hilfe eines Insolvenzantrags eine Zahlung des Schuldners durchsetzt. Es genügt sein Einverständnis, anstelle einer Vollstreckungsmaßnahme zumindest im Wege einer Rechtshandlung des Schuldners, die typischerweise eine Gläubigerbenachteiligung auslöst, befriedigt zu werden.
Da im vorliegenden Fall die Pfändung in das Konto der Schuldnerin mangels hinreichender Deckung fehlgeschlagen war, konnte Befriedigung bei realistischer Betrachtung nur noch dank einer - der Beklagten nicht unwillkommenen - Rechtshandlung der Schuldnerin erwartet werden. Nachdem die Beklagte nunmehr einen Insolvenzantrag gestellt hatte, lag es auf der Hand, dass die Schuldnerin zur Vermeidung einer Verfahrenseröffnung das Konto aufgefüllt hatte. Anhaltspunkte für die Zahlung eines Dritten, der über die Kontoverbindung der Schuldnerin und ihre Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten hätte unterrichtet sein müssen, waren nicht ersichtlich. Auch eine andere Gestaltung außergewöhnlicher Art war in dem Streitfall, der sich in vergleichbarer Weise immer wieder ereignet, ersichtlich nicht gegeben. Infolgedessen hatte die Beklagte den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung gebilligt.
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