10.07.2023

Wann ist die Werbung für Produkte mit dem Begriff "klimaneutral" zulässig?

Die Bewerbung von Produkten als "klimaneutral" stellt nicht ohne Weiteres eine Irreführung der Verbraucher dar, denn der durchschnittliche Verbraucher versteht den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen eines Produktes. Der Verbraucher muss aber nachvollziehen können, wie es zur beworbenen Klimaneutralität kommt.

OLG Düsseldorf v. 6.7.2023 - I-20 U 72/22 u.a.
Der Sachverhalt:
Das hat das OLG in zwei Verfahren (I-20 U 72/22 und I-20 U 152/22) entschieden, in denen ein Fruchtgummihersteller und eine Herstellerin von Konfitüren durch eine Wettbewerbszentrale jeweils auf Unterlassung der Bewerbung ihrer Produkte als "klimaneutral" in Anspruch genommen wurden. Nur in einem Fall wurde der Unterlassungsanspruch angenommen.

Das OLG hat in beiden Verfahren im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Beide Berufungsurteile sind nicht rechtskräftig, da der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der streitentscheidenden Fragen die Revision zum BGH zugelassen hat.

Die Gründe:
Der durchschnittliche Verbraucher versteht den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen eines Produktes, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann. Das gilt schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als klimaneutral beworben werden, die - wie beispielsweise Flugreisen - nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen Klimaneutralität daher nur durch Kompensationszahlungen möglich ist. Ob sich der Begriff der "Klimaneutralität" auf ein Unternehmen als Ganzes oder nur auf ein konkretes Produkt bezieht, ist dabei unerheblich. Die Werbung beider Herstellerfirmen ist daher jeweils für sich allein genommen nicht irreführend.

Ein Unterlassungsanspruch kann sich im Einzelfall gleichwohl dann ergeben, wenn der Werbende seine Informationspflicht verletzt hat, indem er dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten hat. Auf welche Weise die Klimaneutralität eines beworbenen Produktes erreicht wird, stellt eine solche wesentliche Information dar, weil der Klimaschutz für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema ist und daher erheblichen Einfluss auf eine Kaufentscheidung haben kann. Gerade weil der Verbraucher weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an der Aufklärung über die grundlegenden Umstände der von einem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität.

Während im Falle der Konfitürenherstellerin (I-20 U 72/22) weder ihre Werbeanzeige in einer Zeitschrift für Lebensmittel noch die Produktverpackung einen Hinweis darauf enthalten haben, wie es zur beworbenen Klimaneutralität kommt, hat der Fruchtgummihersteller (I-20 U 152/22) die erforderlichen Informationen in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt, da der Leser seiner Anzeige in der Zeitschrift für Lebensmittel über den darin enthaltenen QR-Code die Webseite von "ClimatePartner.com" aufsuchen kann, der die erforderlichen Angaben entnommen werden können. Dies ist zur Information des Verbrauchers ausreichend, da es in einer Zeitungsanzeige letztlich am Platz dafür fehlt, die über die bloße Information "Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht" hinaus erforderlichen näheren Angaben zu Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen aufzunehmen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Irreführende Werbung mit "Klimaneutralität"
Stefan Ernst, MDR 2022, 1320

Rechtsprechung/News:
Werbung mit dem Logo "Klimaneutral" ohne Aufklärung irreführend
OLG Frankfurt a.M. vom 10.11.2022 - 6 U 104/22

Aufsatz:
Rechtsprechung zum Klimaschutzrecht - Status quo und quo vadis?
Uwe M. Erling, KlimaRZ 2023, 136

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OLG Düsseldorf PM Nr. 24 vom 6.7.2023
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