Wasserpreise in der Region Mainz waren zu hoch
OLG Koblenz 23.8.2018, U 311/17.KartDer klagende Rechtsanwalt bezog für sein Anwesen in einem Mainzer Stadtteil Trinkwasser von dem zuständigen Mainzer Wasserversorgungsunternehmen. Bis zum 31.10.2011 war dies die Beklagte zu 2), ab dem 1.11.2011 die Beklagte zu 1). Das Bundeskartellamt hatte bereits im Jahr 2003 die Mainzer Wasserpreise auf der Grundlage von Vorschriften des GWB im Hinblick auf eine missbräuchliche Preisüberhöhung überprüft. Die damals zuständige Beklagte zu 2) hatte daraufhin den Wassergrundpreis abgesenkt und mit dem Bundeskartellamt eine Vereinbarung zur Einhaltung von Preisstabilität bis zum 31.12.2009 getroffen. Die Wasserpreise blieben auch in den Folgejahren ab 2010 unverändert. XY
Ende des Jahres 2011 leitete das Bundeskartellamt im Hinblick auf zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BGH erneut ein Missbrauchsverfahren wegen überhöhter Wasserpreise ein. Der Verdacht überhöhter Wasserpreise für die Zeit nach dem 1.1.2010 ergab sich aus Ermittlungsergebnissen in einem Wasserpreisverfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe. In diesem Rahmen hatte das Bundeskartellamt Datenmaterial zu den 38 größten deutschen Städten (alle mit über 200.000 Einwohnern) gewonnen. Die Wasserpreise in Mainz waren nicht Gegenstand dieser Überprüfung, weil die Stadt Mainz im Größenvergleich erst an 39. Stelle liegt. Die abgabenbereinigten Nettopreise im Bereich der Stadt Mainz lagen nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts erheblich über dem Durchschnitt der Wasserpreise (Erlöse) in den 38 größten Städten Deutschlands sowie noch deutlicher über dem Durchschnitt aller westdeutschen Städte (ohne Berlin) mit mehr als 200.000 Einwohnern.
Im Ergebnis verpflichtete sich die Beklagte zu 1) gegenüber dem Bundeskartellamt, ihre Preise mit Wirkung zum 1.1.2013 befristet bis zum 31.12.2019 um ca. 15 % bezogen auf den abgabenbereinigten Durchschnittserlös aus dem Jahr 2010 zu senken. Im Hinblick auf diese Verpflichtungszusage stellte das Bundeskartellamt das Preismissbrauchsverfahren ein, ohne weitergehende Ermittlungen betreffend die Berechtigung der Mainzer Wasserpreise angestellt zu haben. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wege des Schadensersatzes von den Beklagten - zeitlich gestaffelt nach ihrer Zuständigkeit für die Wasserversorgung - die Rückzahlung vermeintlich zu viel gezahlter Rechnungsbeträge für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2012. Als bezifferten Mindestschaden hat er einen Betrag von rd. 128 € geltend gemacht; allerdings hält er einen weitergehenden Schadensersatzanspruch für gerechtfertigt. Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Mainzer Wasserpreise nicht missbräuchlich überhöht gewesen seien.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage teilweise statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz für die Jahre 2011 und 2012 i.H.v. insgesamt rd. 99 € nebst Zinsen. Darüber hinaus muss die Beklagte zu 2) dem Kläger Auskunft betreffend das Verbrauchsjahr 2010 erteilen.
Die Beklagten hatten als jeweils einziges Unternehmen der Wasserversorgung im Raum Mainz in der Zeit ihrer jeweiligen Zuständigkeit eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 GWB 2013. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zu, weil die Beklagten ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht haben, indem sie Entgelte gefordert haben, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben hätten. Dies ergibt sich aus der Vergleichsmarktbetrachtung anhand des Durchschnitts der abgabenbereinigten Nettopreise der 38 größten Städte Deutschlands.
Im Jahr 2010 lagen die Preise in Mainz rd. 24 % über diesem Durchschnittspreis. Die Beklagten haben nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen ihre höheren Wasserpreise sachlich gerechtfertigt waren. Im Hinblick auf bestehende Unsicherheiten bei der Frage der Vergleichbarkeit der Preise der Stadt Mainz mit dem Vergleichspreis, der lediglich einen Durchschnittswert darstellt, war ein erheblicher Sicherheitszuschlag auf den Vergleichspreis vorzunehmen. Grundlage der Schadensberechnung ist danach nur die Preissenkung von 15 %, zu der sich die Beklagte zu 1) mit Wirkung ab dem Jahr 2013 verpflichtet hat. Auf den sich hieraus ergebenden Schadensbetrag wurde ein weiterer Sicherheitsabschlag von 15 % vorgenommen.
Die alternative Vergleichsberechnung des Klägers anhand bestimmter Städte ist nicht als hinreichend aussagekräftig anzusehen. Auch verschiedene Anträge des Klägers auf Beiziehung von Akten des Bundeskartellamts, die darauf gerichtet waren, dem Kläger weitere Erkenntnisgrundlagen für ergänzenden Vortrag zu verschaffen, waren abzulehnen.