05.09.2014

Wendel Investissement SA darf Vermögenswerte von Vivendi Universal Publishing erwerben

Die EU-Kommission war befugt, Wendel Investissement SA erneut als Erwerber des Teils der Vermögenswerte von Vivendi Universal Publishing zuzulassen, zu deren Veräußerung der Lagardère-Konzern verpflichtet war. Die Kommission war nicht zum Widerruf der Entscheidung, den Zusammenschluss zu genehmigen, verpflichtet, da die Ernennung eines unabhängigen Beauftragten eine Auflage, aber keine Voraussetzung darstellte.

EuGH 5.9.2014, T-471/11
Der Sachverhalt:
Im September 2002 hatte Vivendi Universal, eine im französischsprachigen Verlagswesen tätige Gesellschaft, beschlossen, ihre gesamte Buchverlagssparte, in der sie über ihre Tochtergesellschaft Vivendi Universal Publishing (VUP) in Europa tätig war, zu veräußern. Der Lagardère-Konzern wollte diese Vermögenswerte erwerben.

Im Jahr 2004 genehmigte die EU-Kommission den Zusammenschluss im Hinblick auf erhebliche Behinderungen eines wirksamen Wettbewerbs vorbehaltlich bestimmter von Lagardère übernommener Verpflichtungen. Lagardère verpflichtete sich, einen bedeutenden Teil der Vermögenswerte von VUP weiter zu veräußern. Die Gesellschaft Éditions Odile Jacob (Odile Jacob) war dabei eine der Interessenten. Am Ende des Verfahrens zur Auswahl des Erwerbers erteilte Lagardère dem Angebot der Wendel Investissement SA (Wendel) die Zusage. Die EU-Kommission erteilte ihre Zustimmung zu diesem Erwerber.

Daraufhin erhob Odile Jacob Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, den Zusammenschluss zu genehmigen, und der Entscheidung, Wendel als Erwerber zuzulassen. Mit Urteilen aus September 2010 bestätigte das Gericht die Entscheidung, den Zusammenschluss zu genehmigen, erklärte aber die Zulassungsentscheidung für nichtig, weil sie auf der Grundlage des Berichts eines Beauftragten ergangen war, der dem von der Kommission aufgestellten Erfordernis der Unabhängigkeit nicht genügte. Der EuGH bestätigte die Urteile des Gerichtes im Jahr 2012.

Nach Erlass der Urteile stellte Lagardère bei der Kommission erneut einen Antrag auf Zulassung von Wendel, wobei sie einen neuen Beauftragten vorschlug, den die Kommission Anfang 2011 zuließ. Im Mai 2011 stimmte die Kommission erneut dem Erwerb durch Wendel mit Wirkung zum 30.7.2004 zu. Gegen diese Entscheidung hat Odile Jacob wiederum Nichtigkeitsklage erhoben und u.a. geltend gemacht, die Kommission habe den Urteilen aus September 2010 keine volle Wirksamkeit verliehen, gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen und bei der Beurteilung der Bewerbung von Wendel Rechtsfehler und offensichtliche Fehler begangen.

Der EuGH wies die Klage von Odile Jacob ab.

Die Gründe:
Die EU-Kommission war nicht zum Widerruf der Entscheidung, den Zusammenschluss zu genehmigen, verpflichtet, um den Urteilen aus September 2010 volle Wirksamkeit zu verleihen. Die Nichtigerklärung der ersten Zulassungsentscheidung als solche hatte keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, den Zusammenschluss zu genehmigen. Letztere war nämlich nur für unanwendbar erklärt worden, bis die Kommission zur möglichen Zulassung eines neuen Erwerbers Stellung nimmt. Im Übrigen war die Kommission nicht zum Widerruf der Entscheidung, den Zusammenschluss zu genehmigen, verpflichtet, da die Ernennung eines unabhängigen Beauftragten eine Auflage, aber keine Voraussetzung darstellte.

Die EU-Kommission war auch nicht dazu verpflichtet, das gesamte Verfahren ab dem Zeitpunkt, zu dem Lagardère den ersten Beauftragten ernannt hatte, wieder aufzunehmen, um den Urteilen aus September 2010 volle Wirksamkeit zu verleihen. Da die vom ersten Beauftragten zuvor getroffenen Maßnahmen nicht in Frage gestellt worden waren, war sie vielmehr nur verpflichtet, das Verfahren ab dem Zeitpunkt wieder aufzunehmen, zu dem die festgestellte Rechtswidrigkeit eingetreten war, d.h. bei Übergabe des Berichts des ersten Beauftragten und Erlass der ersten Zulassungsentscheidung.

Es lag zudem keine rechtswidrige Rückwirkung des Beschlusses aus Mai 2011 vor. Die Kommission darf rückwirkende Entscheidungen erlassen, wenn das zu erreichende Ziel es erfordert und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird. Im vorliegenden Fall sollte die neue, rückwirkende Zulassungsentscheidung gleich mehrere Ziele von allgemeinem Interesse erfüllen (nämlich der mit dem Urteil aus September 2010 festgestellten Rechtswidrigkeit abhelfen und das rechtliche Vakuum ausfüllen, das durch die Nichtigerklärung der ersten Zulassungsentscheidung entstanden war) und verletzte weder das berechtigte Vertrauen der Personen, auf die sie sich unmittelbar bezieht, noch das von Dritten. Letztlich waren der Kommission bei der Beurteilung der Bewerbung von Wendel auch keine Rechtsfehler oder offensichtliche Fehler unterlaufen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten französischen Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM v. 5.9.2014
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