Weniger Nikotin in E-Zigaretten stellt nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen das TabakerzV dar
LG Düsseldorf v. 12.1.2023 - 14c O 95/22
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist Herstellerin von sog. "Liquids" und sonstigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten. In Tankstellen-Shops werden u.a. die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten der Marke "ELFBAR" verkauft, welche die Antragsgegnerin importiert. Diese werden in einer Verpackung verkauft, die einen Nikotingehalt von 20mg/ml ausweist. Die Einweg-E-Zigaretten besitzen keinen Schalter zur Steuerung der Elektronik. Das elektrische Verdampfen wird stattdessen durch ein Ziehen bzw. Saugen am Mundstück mittels eines Unterdruckschalters ausgelöst. Sie sind nicht zum Nachfüllen bestimmt und lassen sich nicht ohne Werkzeug öffnen, sodass die nikotinhaltige Flüssigkeit nur im Wege des bestimmungsgemäßen Konsums durch Verdampfen indirekt zugänglich ist.
Mitarbeiter der Antragstellerin führten am 22.9.2022 bei einer Tankstelle in Essen einen Testkauf durch, im Rahmen dessen sie jeweils eine Einweg-E-Zigaretten des Typs "ELFBAR COLA 20 mg/ml", "ELFBAR WATERMELON 20 mg/ml" und "ELFBAR BLUE RAZZ LEMONADE 20 mg/ml" erwarben. Am 30.9.2022 fanden in Düsseldorf weitere Testkäufe statt. Die Antragstellerin verfügt über ein eigenes Analyse- und Prüflabor, in dem sie den Nikotingehalt mittels gaschromatographischer Analyse überprüfen lässt. Sie hielt der Antragsgegnerin vor, dass der Nikotingehalt der streitgegenständlichen E-Zigaretten nicht dem auf der Verpackung angegebenen Nikotingehalt von 20 mg/ml entspreche, sodass der Nikotingehalt auf der Außenverpackungen bewusst unrichtig angegeben werde. Darin liege ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TabakerzV, wonach der Nikotingehalt auf Packungen und Außenverpackungen von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern angeben werden muss.
Die Antragsgegnerin hielt dagegen, aufgrund natürlicher Abbauprozesse könne regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass der tatsächlich enthaltene Nikotingehalt dem gekennzeichneten Nikotingehalt entspreche. Außerdem sei die Analyse des Liquids einer einzigen Einweg-E-Zigarette mit einem Inhalt von nur 2 ml Liquid zur Bestimmung der Nikotinkonzentration ungeeignet.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Gründe:
Es besteht kein Anspruch auf Untersagung des Anbietens und Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten mit der Angabe eines Nikotingehalts von 20 mg/ml auf der Außenverpackung des Produkts. Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen in §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TabakerzV oder §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1, 5a Abs. 1, 2 UWG liegen nicht vor.
Das Anbieten und Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten durch die Antragsgegnerin stellt zwar eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Diese geschäftlichen Handlungen sind indes nicht unlauter i.S.d. §§ 3, 3a oder 5, 5a UWG. Eine Zuwiderhandlung gegen die einzig in Betracht kommende Vorschrift des § 27 Abs. 1 S.1, 2 Nr. 2 TabakerzV lag nicht vor. Danach sind Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern vor dem Inverkehrbringen zur Aufbringung einer Liste auf Packungen und Außenverpackungen von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern verpflichtet, die den Nikotingehalt und die Nikotinabgabe pro Dosis enthalten muss. Als "Importeur" i.S.d. Norm gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 39 der Richtlinie 2014/40/EU der Eigentümer oder eine Person, die die Verfügungsgewalt über die Tabakerzeugnisse oder die verwandten Erzeugnisse hat, die in das Gebiet der Union gelangt sind.
Zwar war die Antragsgegnerin ist als Importeurin der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten i.S.d. Norm anzusehen, doch lag im Hinblick auf den auf der Außenverpackung ausgewiesenen Nikotingehalt von 20 mg/ml kein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV vor. Das Prüfergebnis genügte nicht zur Glaubhaftmachung der von der Antragstellerin behaupteten Analyseergebnisse. Auch soweit die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten unstreitig teilweise einen Nikotingehalt zwischen 19,0 und 19,9 mg/ml aufwiesen, konnte § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV nur dahingehend ausgelegt werden, dass ein Verstoß jedenfalls dann ausscheidet, wenn es sich bei den Abweichungen um vorhersehbare, natürliche Toleranzen des Nikotingehalts handelt. Und die Antragsgegnerin hat unter Verweis auf eine Stellungnahme des "Joint Research Centre" der Europäischen Kommission glaubhaft gemacht, dass jedenfalls leichte Varianzen des Nikotingehalts auch aus Sicht der Europäischen Kommission bereits herstellungsbedingt unvermeidbar sein können.
Bei der Auslegung des § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass selbst solche Rechtsnormen, die zum Schutze der menschlichen Gesundheit strengste Anforderungen an den Gehalt und die Reinheit bestimmter Inhaltsstoffe stellen, gewisse Toleranzen zulassen. So sind im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren vom Hersteller angemessene Toleranzbereiche für den Wirkstoffgehalt der arzneilichen Wirkstoffe anzugeben und einzuhalten.
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Aufsatz:
Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Martin Boden / Jan-Tilman Uhe / Alicja Wilczek, IPRB 2022, 102
Rechtsprechung:
Kein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz wegen Übernahme wettbewerblicher Eigenschaften von Produkten des täglichen Bedarfs bei unterschiedlicher Produktbezeichnung ("Vienetta")
BGH vom 19.10.2000 - I ZR 225/98
Gustav-Adolf Ulrich, EWiR 2001, 333
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Justiz NRW
Die Antragstellerin ist Herstellerin von sog. "Liquids" und sonstigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten. In Tankstellen-Shops werden u.a. die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten der Marke "ELFBAR" verkauft, welche die Antragsgegnerin importiert. Diese werden in einer Verpackung verkauft, die einen Nikotingehalt von 20mg/ml ausweist. Die Einweg-E-Zigaretten besitzen keinen Schalter zur Steuerung der Elektronik. Das elektrische Verdampfen wird stattdessen durch ein Ziehen bzw. Saugen am Mundstück mittels eines Unterdruckschalters ausgelöst. Sie sind nicht zum Nachfüllen bestimmt und lassen sich nicht ohne Werkzeug öffnen, sodass die nikotinhaltige Flüssigkeit nur im Wege des bestimmungsgemäßen Konsums durch Verdampfen indirekt zugänglich ist.
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Die Antragsgegnerin hielt dagegen, aufgrund natürlicher Abbauprozesse könne regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass der tatsächlich enthaltene Nikotingehalt dem gekennzeichneten Nikotingehalt entspreche. Außerdem sei die Analyse des Liquids einer einzigen Einweg-E-Zigarette mit einem Inhalt von nur 2 ml Liquid zur Bestimmung der Nikotinkonzentration ungeeignet.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
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Zwar war die Antragsgegnerin ist als Importeurin der streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten i.S.d. Norm anzusehen, doch lag im Hinblick auf den auf der Außenverpackung ausgewiesenen Nikotingehalt von 20 mg/ml kein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV vor. Das Prüfergebnis genügte nicht zur Glaubhaftmachung der von der Antragstellerin behaupteten Analyseergebnisse. Auch soweit die streitgegenständlichen Einweg-E-Zigaretten unstreitig teilweise einen Nikotingehalt zwischen 19,0 und 19,9 mg/ml aufwiesen, konnte § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV nur dahingehend ausgelegt werden, dass ein Verstoß jedenfalls dann ausscheidet, wenn es sich bei den Abweichungen um vorhersehbare, natürliche Toleranzen des Nikotingehalts handelt. Und die Antragsgegnerin hat unter Verweis auf eine Stellungnahme des "Joint Research Centre" der Europäischen Kommission glaubhaft gemacht, dass jedenfalls leichte Varianzen des Nikotingehalts auch aus Sicht der Europäischen Kommission bereits herstellungsbedingt unvermeidbar sein können.
Bei der Auslegung des § 27 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 TabakerzV kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass selbst solche Rechtsnormen, die zum Schutze der menschlichen Gesundheit strengste Anforderungen an den Gehalt und die Reinheit bestimmter Inhaltsstoffe stellen, gewisse Toleranzen zulassen. So sind im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren vom Hersteller angemessene Toleranzbereiche für den Wirkstoffgehalt der arzneilichen Wirkstoffe anzugeben und einzuhalten.
Aufsatz:
Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Martin Boden / Jan-Tilman Uhe / Alicja Wilczek, IPRB 2022, 102
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