Werbe- und Vertriebsverbot für ein das Extrakt der Kudzuwurzel enthaltenes Nahrungsergänzungsmittel bestätigt
BGH 16.4.2015, I ZR 27/14Die Beklagte ist ein pharmazeutischer Großhändler, die das Nahrungsergänzungsmittel "Kudzu 300 mg GPH Kapseln" vertreibt. Diese enthalten das Kudzu-Trockenextrakt mit 40% Isoflavonen. Auf ihrer Internetseite teilt die Beklagte mit, dass es sich bei Kudzu (lateinisch: pueraria lobata) um eine in Indien wild wachsende oder kultivierte Pflanze handelt, die zu den Hülsenfrüchtlern zählt und eine enge Verwandtschaft mit einheimischen Bohnengewächsen aufweist. In der traditionellen chinesischen Gesundheitskunde würden Blüten und Wurzeln seit über 2500 Jahren zur Unterstützung der Gesundheit von Menschen verwendet.
Beim Kläger handelt es sich um den Verband Sozialer Wettbewerb e.V. Dieser war der Ansicht, dass es sich bei dem Produkt der Beklagten um ein neuartiges Lebensmittel handelt, das mangels Zulassung oder Notifizierung nach der Verordnung (EG) Nr. 258/97, zuletzt geändert durch die Verordnung [EG] Nr. 596/2009 (im Weiteren: Novel-Food-Verordnung) in der EU nicht vertrieben und beworben werden darf.
Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Berufung und Revision der Beklagten blieben erfolglos.
Gründe:
Die Vorinstanzen hatten zutreffend angenommen, dass der Vertrieb eines Erzeugnisses, das in den Anwendungsbereich der Novel-Food-Verordnung fällt, ohne die nach dieser Verordnung (vgl. Art. 3 Abs. 2 und 4 der Novel-Food-Verordnung) und nach § 3 Abs.1 und 2 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderliche Genehmigung oder Notifizierung ein gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauteres und unzulässiges Wettbewerbsverhalten darstellt. Die genannten lebensmittelrechtlichen Bestimmungen regeln das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer, weil sie nach dem zweiten Erwägungsgrund der Novel-Food-Verordnung dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienen.
Bei der Prüfung, ob es sich bei einem aus dem Trockenextrakt einer Pflanzenwurzel bestehenden Nahrungsergänzungsmittel um ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat i.S.d. Novel-Food-Verordnung handelt, ist darauf abzustellen, ob entsprechende Nahrungsergänzungsmittel vor dem 15.5.1997, also vor Inkrafttreten der Verordnung, in der Gemeinschaft in erheblicher Menge für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Es kommt nicht darauf an, ob ein nennenswerter Verzehr der Pflanze oder von Produkten, die die Pflanze enthalten, erfolgt ist.
Ist ein Nahrungsergänzungsmittel im Novel-Food-Katalog der EU-Kommission mit dem Status "FS" eingetragen, stellt dies ein die Gerichte nicht bindendes Indiz dafür dar, dass es sich nicht um ein neuartiges Lebensmittel i.S.v. Art. 1 Abs. 2 Novel-Food-Verordnung handelt. Bei dem Novel-Food-Katalog handelt es sich ausweislich der Erläuterungen der EU-Kommission um einen nicht abschließenden Katalog, der lediglich der Orientierung dient, ob ein Produkt unter die Novel-Food-Verordnung fällt. Gegen eine Bindungswirkung des Eintrags spricht auch der Umstand, dass nicht einmal ausdrückliche Verbotsentscheidungen der EU-Kommission auf der Grundlage von Art. 7 der Novel-Food-Verordnung über das konkrete Zulassungsverfahren hinaus Bindungswirkungen haben.
Hat der Kläger im Rahmen seiner primären Darlegungslast Veröffentlichungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass ein Nahrungsergänzungsmittel als neuartiges Lebensmittel anzusehen ist, genügt der Beklagte allein mit der Berufung auf die Indizwirkung des Eintrags im Novel-Food-Katalog mit dem Status "FS" seiner ihm im Hinblick auf die fehlende Neuartigkeit des Produkts obliegenden sekundären Darlegungslast nicht. Es ist in einem solchen Fall vielmehr ein weiterer Vortrag der Beklagten dazu erforderlich, dass das in Streit stehende Nahrungsergänzungsmittel in einem Mitgliedstaat der EU vor dem 15.5.1997 in nennenswertem Umfang verzehrt wurde.
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