14.08.2023

Werbekostenbeiträge während der Corona-Pandemie

Auf die Vorstellung des Ausbleibens einer Naturkatastrophe wie der COVID-19-Pandemie gründet sich nicht der Geschäftswille für den Abschluss des Werbekostenbeitrags. Der Umstand, dass die Kunden der Beklagten während der COVID-19-Pandemie lediglich Produkte der Beklagten zum Verzehr andernorts ("take away") erwerben konnten, machte Werbemaßnahmen ebenso wenig obsolet, wie die hierauf ergehenden Beiträge der Mieter von Ladenflächen.

LG Lübeck v. 7.7.2023 - 3 O 125/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt verschiedene Shoppingcenter. Die Beklagte gehört zu einer Gruppe von Unternehmen, die verschiedene "food-Konzepte" an sog. Hochfrequenzstandorten, wie Bahnhöfen Flughäfen und ausgesuchten Citylagen sowie in Einkaufszentren in Deutschland betreibt. Ihr Geschäftsbetrieb besteht im Unterhalt eines Filialnetzes von Gastronomiebetrieben, die sowohl einen "inhouse-Verzehr" als auch einen "take-away-Verzehr" von Gebäck, Snacks und Kaffeespezialitäten anbietet. Die Beklagte ist daher auf Laufkundschaft angewiesen.

Vorliegend verpflichtete sich die Beklagte mit Vertrag vom 21.7.2017 zur Zahlung eines umsatzabhängigen monatlichen Werbebeitrages, mind. jedoch 3 € pro Quadratmeter zu zahlen. Daher gab sich zunächst ein netto-Werbebeitrag in monatlicher Höhe von 658 €. Alle zwei Jahre erfolgte eine Indexanpassung des Werbebeitrages. Im Gegensatz zu den Anpassungen des Mietvertrages zwischen der Beklagten und der Tochtergesellschaft der Klägerin passten die Parteien den Vertrag betreffen Centerwerbung nicht pandemiebedingt an, indem sie die Zahlungspflichten der Beklagten reduzierten. In der Folgezeit kam es zu Zahlungsausfällen bzgl. der Werbekostenbeiträge.

Die Klägerin behauptete, sie habe die ihr obliegenden vertraglichen Leistungen in Form der Centerwerbung erbracht. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Ende 2019 habe sich die Pandemie noch nicht abgezeichnet. Die Beklagte war der Ansicht, der Wegfall der Geschäftsgrundlage erfasse selbstverständlich auch den streitgegenständlichen Werbebeitragsvertrag, der mit dem Mietvertrag gekoppelt sei.

Die Klägerin verfolgte mit ihrer Klage u.a. Werbekostenbeiträge i.H.v. rund 34.045 €  für die Werbung des Einkaufszentrums für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2022. Das LG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 34.045 € aus dem Vertrag betreffend die Centerwerbung vom 21.7.2017.

Der im Kern des Rechtsstreits stehende Vertrag war nicht nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB anzupassen. Danach kann die Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn sich wesentliche Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben (sog. "reales Element"), die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten (sog. "hypothetisches Element") und es einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, nicht zugemutet werden kann, am Vertrag festzuhalten (sog. "normatives Element").

Diese Voraussetzungen lagen auch in Anbetracht der Grundsätze des BGH aus seinem Urteil vom 16.2.2022 - XII ZR 17/21 nicht vor. Die dortigen Ausführungen - insbesondere bezüglich des Vorliegens des realen und des hypothetischen Elements - waren nicht auf den vorliegenden Vertrag über Werbekosten übertragbar. Das reale Element des § 313 Abs. 1 BGB, also die schwerwiegende Veränderung von Umständen, die Grundlage des Vertrags geworden war, lag nach Überzeugung des Gerichts nicht vor. Auf die Vorstellung des Ausbleibens einer Naturkatastrophe wie der COVID-19-Pandemie gründet sich nicht der Geschäftswille für den Abschluss des Werbekostenbeitrags. Der Umstand, dass die Kunden der Beklagten während der COVID-19-Pandemie lediglich Produkte der Beklagten zum Verzehr andernorts ("take away") erwerben konnten, machte Werbemaßnahmen ebenso wenig obsolet, wie die hierauf ergehenden Beiträge der Mieter von Ladenflächen. Im Gegenteil war davon auszugehen, dass die Beklagte auf Werbemaßnahmen in besonderem Maße angewiesen war.

Selbst wenn man von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausginge, mangelte es darüber hinaus auch am Vorliegen des hypothetischen Elements. Nichts war ersichtlich für eine mögliche Abweichung der Vertragsparteien von den vertraglichen Regelungen bei Kenntnis einer künftigen Pandemie. Schließlich scheiterte im vorliegenden Fall auch das normative Element im Rahmen des § 313 Abs. 1 BGB. Der Beklagten konnte auch vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Umsatzeinbußen ein Festhalten am Vertrag zugemutet werden.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Martin Boden / Jan-Tilman Uhe / Alicja Wilczek, IPRB 2022, 102

Rechtsprechung:
Kein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz wegen Übernahme wettbewerblicher Eigenschaften von Produkten des täglichen Bedarfs bei unterschiedlicher Produktbezeichnung ("Vienetta")
BGH vom 19.10.2000 - I ZR 225/98
Gustav-Adolf Ulrich, EWiR 2001, 333

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