29.09.2020

Werbevertrag mit nordrhein-westfälischer Großstadt kein Scheingeschäft

Der Werbevertrag einer nordrhein-westfälischen Großstadt mit einem Bochumer Unternehmen stellt kein Scheingeschäft dar.

OLG Hamm v. 25.9.2020 - 12 U 91/18
Der Sachverhalt:
Die klagende Großstadt aus NRW schloss mit der Beklagten, die ihren Sitz in Bochum hat und sich mit der Überlassung von gesponserten Kraftfahrzeugen an Leistungssportler und Funktionäre befasst, im Jahr 2004 einen mit "Werbevertrag" überschriebenen Vertrag. Darin verpflichtete sich die Beklagte, alle über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeuge mit einem 30 cm x 5 cm großen Werbeaufkleber der Klägerin, den diese zur Verfügung stellen sollte, zu versehen. Die Beklagte sollte für jedes während der Vertragslaufzeit über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zugelassene Kfz, das mit einem entsprechenden Werbeaufkleber versehen worden ist, 8,70 € netto erhalten. Die Beklagte ließ bis Anfang des Jahres 2016 Fahrzeuge über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zu.

Die Klägerin verlangt in dem vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Rückzahlung von in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nach diesem Werbevertrag geflossenen Zahlungen von insgesamt gut 225.000 €. Ihre Forderung begründet sie damit, dass die Beklagte die von ihr zugesagten und in diesen Jahren abgerechneten Werbeleistungen nicht erbracht habe, weil die Werbeaufkleber auf den zugelassenen Fahrzeugen nicht angebracht worden seien.

Dagegen ist die Beklagte der Ansicht, der Werbevertrag sei nur der Form halber aufgesetzt worden, um die Zahlungen an sie als Kostenposition haushaltsmäßig besser darstellen zu können. Die Klägerin habe vom hohen Wiedererkennungswert der typischen Nummernschilder für die Stadt profitieren wollen und auch ein Interesse gehabt, die Einnahmen aus den Zulassungskosten von etwa 26 € pro Fahrzeug, insgesamt also bis zu 250.000 € pro Jahr, zu erhalten. Die Aufkleber seien nur eine zusätzliche Idee gewesen, um die Leistungspflicht der Beklagten nach außen und für den schriftlichen Vertrag etwas handfester und griffiger definieren zu können. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin über viele Jahre hinweg Quartal für Quartal Rechnungen in jeweils vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten und anstandslos bezahlt habe, obwohl sie gewusst habe, keine weiteren Aufkleber mehr geliefert zu haben, ergebe sich, dass die Aufkleber von untergeordneter Bedeutung gewesen seien und die Klägerin stets davon ausgegangen sei, die Beklagte habe lediglich die Pflicht gehabt, die Fahrzeuge in der Großstadt zuzulassen.

Das LG wies die zunächst nur auf die Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 gerichtete Klage ab. Der "Werbevertrag" aus dem Jahr 2004 habe nicht den tatsächlich getroffenen Vertragsabsprachen entsprochen. Insbesondere sei die Regelung zur Anbringung der Werbeaufkleber nur zum Schein getroffen worden, um eine nach dem Gebührenrecht unzulässige Reduzierung der gesetzlich bundesweit vorgeschriebenen Zulassungsgebühren zu verschleiern. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage ganz überwiegend statt.

Die Gründe:
Die Klägerin kann die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 € für die Jahre 2013 bis 2015 verlangen.

Entgegen der Auffassung des LG handelt es sich bei dem Werbevertrag aus dem Jahr 2004 nicht um ein zum Schein abgeschlossenes Geschäft. Dass die Vereinbarung "Vergütung gegen Aufkleber" nicht dem wirklichen Willen der Parteien entsprach, ist insbesondere den Aussagen der bereits vom LG vernommenen Zeugen nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht u.a. die Bestellung von 13.200 Aufklebern zu Beginn des Vertragsverhältnisses eher dafür, dass der abgeschlossene Werbevertrag - jedenfalls zunächst - tatsächlich gelebt wurde. Dass das Anbringen der Aufkleber später eingestellt worden oder eingeschlafen ist, lässt keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Abschluss des Vertrags zu.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Abschluss des Werbevertrags gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat oder sittenwidrig ist. Insbesondere ein zur Unwirksamkeit des Werbevertrags führendes gesetzliches Verbot, Zulassungsgebühren nicht unterhalb der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzten Gebühren zu erheben, ist nicht zu erkennen. Soweit sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung eine geringere Zahlungspflicht der Beklagten ergab, ging es den Parteien zwar offensichtlich darum, der Beklagten einen finanziellen Anreiz zu schaffen, ihre Fahrzeuge bei der Klägerin zuzulassen. Dieser Anreiz wurde aber über den Werbevertrag geschaffen, dessen Inhalt an sich nicht gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstößt und dessen (indirekte) Koppelung an die Zulassung nicht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl steht. Der Klägerin kamen die Zulassungsgebühren im gesetzlich festgesetzten Umfang zu und der gezahlten Vergütung stand nach dem Vertrag eine (Werbe-)Leistung gegenüber.
OLG Hamm PM vom 25.9.2020
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