Werbung für E-Zigarette "mindestens 1.000-mal weniger schädlich als eine Tabakzigarette" unzulässig
OLG Hamm 22.10.2013, 4 U 91/13Die beklagte Firma vertreibt elektronisch betriebene Zigaretten (E-Zigaretten) und entsprechende Liquids im Internet. Die Liquids enthalten im Wesentlichen den Lebensmittelzusatzstoff Propylenglycol. Die Beklagte bewarb die E-Zigarette u.a. mit den Worten, dass sie "mindestens 1.000-mal weniger schädlich ist als die Tabakzigarette" und dass "der einzige Schadstoff, den die E-Zigarette enthält, Nikotin ist".
Der klagende Verband hält diese Werbung für unzutreffend und damit für irreführend erachtet. Mit seiner Klage nimmt er die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Das LG gab dem Antrag statt. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die beanstandeten Werbeaussagen sind irreführend.
Eine E-Zigarette ist ein Genussmittel. Die Werbung für ein solches Genussmittel mit dem Hinweis auf dessen geringere Risiken betrifft das Gesundheitswesen. Auf diesem Gebiet jedoch sind Werbeaussagen nur zuzulassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Dies hat der Werbende darzulegen. Im Streitfall ist der Beklagten eine solche Darlegung in Bezug auf die streitgegenständlichen Werbeaussagen nicht gelungen.
Das beigebrachte Gutachten eines Professors vom Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt belegt nicht, dass die E-Zigarette mindestens 1.000mal weniger schädlich wäre als die Tabakzigarette. Nach dem Gutachten ist die E-Zigarette zwar deutlich untoxischer; zu ihrer Sicherheit und den Langzeitfolgen gibt es jedoch noch keine aussagekräftigen Untersuchungen. Die Einschätzungen des Gutachters rechtfertigen daher nicht die Aussage, die E-Zigarette sei ein 1.000-mal weniger schädliches Produkt.
Die weitere Werbeaussage, nach der Nikotin der einzige Schadstoff der E-Zigarette sei, ist nach dem vorgelegten Gutachten sogar unzutreffend. Dies sieht den Hauptbestandteil des Liquids, das beim Konsum mitaufgenommene Propylenglycol, nicht als vollkommen unbedenklich an. Nach dem Gutachten ist der Stoff im Verhältnis zu anderen schädlichen Stoffen nur harmloser ("relativ untoxisch"). Nach einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung wird Propylenglycol zudem mit Reizungen der Nasen-Rachenschleimhäute in Verbindung gebracht sowie mit einem trockenen Mund und einer trockenen Kehle als Nebenwirkungen.