Werbung mit dem Begriff Krankentransporte ohne vorliegende Genehmigung ist irreführend
OLG Nürnberg v. 24.5.2022 - 3 U 4652/21
Der Sachverhalt:
Beide Parteien betreiben ein Unternehmen, das jeweils eine Genehmigung für die Durchführung von Krankenfahrten, nicht jedoch für die Durchführung von Krankentransporten i.S.d. Art. 2 Abs. 5 BayRDG hat.
Auf ihrer Homepage bewarb die Beklagte ihre Leistungen u.a. wie folgt: "KRANKENHAUSTRANSPORTE Sitzende Krankentransporte werden von uns sicher zum Arzt oder ins gewünschte Krankenhaus durchgeführt. Als Krankentransporte gelten aktuell Fahrten zu ambulanten Behandlungen, ambulanten Operationen oder in die Tagesklinik, stationären Behandlungen, Chemo- oder Strahlentherapie. Bitte beachten Sie hier die gesetzlichen Vorgaben bzw. ggf. Anpassungen." Neben diesem Text war eine Fotografie abgebildet, auf der ein Großraumtaxi mit einer in einem Rollstuhl sitzenden Patientin, die von einem Mann in das Taxi geschoben wird, zu sehen ist.
Das LG wies die Klage ab. Die Werbung für das Unternehmen der Beklagten im Internet sei weder eine irreführende Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG noch ein Verstoß gegen § 3a UWG, Art. 21 Abs. 1 BayRDG. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten stellt einen wettbewerblich relevanten Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar.
Die Werbebehauptung ist irreführend gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Die Werbung der Beklagten ist objektiv unwahr. Eine Angabe ist unwahr, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Die Verkehrsauffassung kann durch gesetzliche Vorschriften grundsätzlich in der Form beeinflusst werden, dass sie den bestehenden Normen entspricht. Wird das Verständnis einer Angabe durch gesetzliche Definitionen beeinflusst, leitet der angesprochene Verkehr sein Verständnis aus diesen Prägungen ab. Denn regelmäßig formuliert der Verkehr seine Vorstellungen nicht eigenständig, sondern normativ aufgrund der Vorgaben durch Dritte.
Vorliegend erwecken die angegriffenen Werbebehauptungen bei einem maßgeblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck, als führte die Beklagte Krankentransporte mit medizinisch-fachlicher Betreuung durch. Der von der Beklagten in der Werbung mehrfach verwendete Begriff des Krankentransportes ist gesetzlich definiert. Nach Art. 2 Abs. 5 S. 1 BayRDG ist ein Krankentransport "der Transport von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung durch nichtärztliches medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtungen des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches aufgrund ihres Zustands zu erwarten ist." Für die Durchführung von Krankentransporten in diesem Sinne ist gem. Art. 21 Abs. 1 BayRDG eine Genehmigung erforderlich, über die die Beklagte nicht verfügt.
Unter den Begriff der Krankenfahrten fällt hingegen die "Beförderung von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die während der Fahrt nicht der medizinisch fachlichen Betreuung durch medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen und bei denen solches auf Grund ihres Zustands nicht zu erwarten ist" (Art. 3 Nr. 6 BayRDG). Danach versteht ein nicht unmaßgeblicher Teil der Verbraucher die streitgegenständliche Werbung auf der Homepage, in der die Beklagte unter der Überschrift "Krankenhaustransporte" zweimal den Begriff "Krankentransporte" verwendet, dahingehend, dass die Beklagte auch Transporte mit medizinisch-fachlicher Betreuung während der Fahrt durchführt. Dieser durch die mehrfache Verwendung des Begriffs "Krankentransport" erweckte Eindruck wird nicht durch die sonstigen für die Beurteilung maßgeblichen Gesamtumstände durch eine irrtumsausschließende Aufklärung korrigiert. Dieser erweckte Eindruck ist objektiv unzutreffend.
Bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung ist eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG. Die vom BGH bislang offengelassene Frage, ob auch unwahre Angaben zur Täuschung geeignet sein müssen oder ob bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung entfällt, ist umstritten. Nach einer Ansicht entfällt bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung. Nach einer anderen Auffassung würde ein derartiges Verständnis auf ein - wenig sinnvolles - per-se-Verbot unwahrer Angaben hinauslaufen. Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an, wonach bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG ist. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der § 5 UWG zugrundeliegenden Richtlinie 2005/29/EG. Versteht allerdings ein durchschnittlich informiertes, verständiges und aufmerksames Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises eine unwahre Angabe richtig, kann es an der geschäftlichen Relevanz der Irreführung fehlen.
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Bayern.Recht
Beide Parteien betreiben ein Unternehmen, das jeweils eine Genehmigung für die Durchführung von Krankenfahrten, nicht jedoch für die Durchführung von Krankentransporten i.S.d. Art. 2 Abs. 5 BayRDG hat.
Auf ihrer Homepage bewarb die Beklagte ihre Leistungen u.a. wie folgt: "KRANKENHAUSTRANSPORTE Sitzende Krankentransporte werden von uns sicher zum Arzt oder ins gewünschte Krankenhaus durchgeführt. Als Krankentransporte gelten aktuell Fahrten zu ambulanten Behandlungen, ambulanten Operationen oder in die Tagesklinik, stationären Behandlungen, Chemo- oder Strahlentherapie. Bitte beachten Sie hier die gesetzlichen Vorgaben bzw. ggf. Anpassungen." Neben diesem Text war eine Fotografie abgebildet, auf der ein Großraumtaxi mit einer in einem Rollstuhl sitzenden Patientin, die von einem Mann in das Taxi geschoben wird, zu sehen ist.
Das LG wies die Klage ab. Die Werbung für das Unternehmen der Beklagten im Internet sei weder eine irreführende Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG noch ein Verstoß gegen § 3a UWG, Art. 21 Abs. 1 BayRDG. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten stellt einen wettbewerblich relevanten Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar.
Die Werbebehauptung ist irreführend gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Die Werbung der Beklagten ist objektiv unwahr. Eine Angabe ist unwahr, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Die Verkehrsauffassung kann durch gesetzliche Vorschriften grundsätzlich in der Form beeinflusst werden, dass sie den bestehenden Normen entspricht. Wird das Verständnis einer Angabe durch gesetzliche Definitionen beeinflusst, leitet der angesprochene Verkehr sein Verständnis aus diesen Prägungen ab. Denn regelmäßig formuliert der Verkehr seine Vorstellungen nicht eigenständig, sondern normativ aufgrund der Vorgaben durch Dritte.
Vorliegend erwecken die angegriffenen Werbebehauptungen bei einem maßgeblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck, als führte die Beklagte Krankentransporte mit medizinisch-fachlicher Betreuung durch. Der von der Beklagten in der Werbung mehrfach verwendete Begriff des Krankentransportes ist gesetzlich definiert. Nach Art. 2 Abs. 5 S. 1 BayRDG ist ein Krankentransport "der Transport von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung durch nichtärztliches medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtungen des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches aufgrund ihres Zustands zu erwarten ist." Für die Durchführung von Krankentransporten in diesem Sinne ist gem. Art. 21 Abs. 1 BayRDG eine Genehmigung erforderlich, über die die Beklagte nicht verfügt.
Unter den Begriff der Krankenfahrten fällt hingegen die "Beförderung von kranken, verletzten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen, die während der Fahrt nicht der medizinisch fachlichen Betreuung durch medizinisches Fachpersonal oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen und bei denen solches auf Grund ihres Zustands nicht zu erwarten ist" (Art. 3 Nr. 6 BayRDG). Danach versteht ein nicht unmaßgeblicher Teil der Verbraucher die streitgegenständliche Werbung auf der Homepage, in der die Beklagte unter der Überschrift "Krankenhaustransporte" zweimal den Begriff "Krankentransporte" verwendet, dahingehend, dass die Beklagte auch Transporte mit medizinisch-fachlicher Betreuung während der Fahrt durchführt. Dieser durch die mehrfache Verwendung des Begriffs "Krankentransport" erweckte Eindruck wird nicht durch die sonstigen für die Beurteilung maßgeblichen Gesamtumstände durch eine irrtumsausschließende Aufklärung korrigiert. Dieser erweckte Eindruck ist objektiv unzutreffend.
Bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung ist eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG. Die vom BGH bislang offengelassene Frage, ob auch unwahre Angaben zur Täuschung geeignet sein müssen oder ob bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung entfällt, ist umstritten. Nach einer Ansicht entfällt bei unwahren Angaben das Erfordernis der Täuschungseignung. Nach einer anderen Auffassung würde ein derartiges Verständnis auf ein - wenig sinnvolles - per-se-Verbot unwahrer Angaben hinauslaufen. Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an, wonach bei einer objektiv unwahren Werbebehauptung eine Eignung zur Täuschung keine Tatbestandsvoraussetzung von § 5 UWG ist. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der § 5 UWG zugrundeliegenden Richtlinie 2005/29/EG. Versteht allerdings ein durchschnittlich informiertes, verständiges und aufmerksames Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises eine unwahre Angabe richtig, kann es an der geschäftlichen Relevanz der Irreführung fehlen.
- Aufsatz: Boden, Uhe, Wilczek - Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (IPRB 2022, 102)
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