Werbung "mit über 7.000 Vitalstoffen" in "Original Spiruletten mit Gerstengras" unzulässig
OLG Hamm 30.4.2013, 4 U 149/12Die in Essen ansässige Beklagte vertreibt über das Internet "Original Spiruletten mit Gerstengras" als Nahrungsergänzungsmittel. Diese bewarb sie u.a. mit den Aussagen, dass das Produkt "über 7.000 Vitalstoffe" enthalte und dass das Gerstengras "das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt" sei. Diese Werbung beanstandete der klagende Verbraucherschutzverband als unzutreffend und damit irreführend. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
Das LG gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten.
Die streitgegenständlichen Werbeaussagen verstoßen gegen Art. 8 der Europäischen Health Claim VO (HCVO), VO (EG) Nr. 1924/2006. Nach dieser Bestimmung dürfen nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang der HCVO aufgeführt sind und den in der HCVO festgelegten Bedingungen entsprechen. Diesen Voraussetzungen genügen die beanstandeten Werbeaussagen nicht.
Die Werbeaussagen enthalten nährwertbezogene Angaben. Als Nahrungsergänzungsmittel sind die "Original Spiruletten mit Gerstengras" Lebensmittel i.S.d. HCVO. Die Angabe, diese Spiruletten enthielten "so viele Vitalstoffe", ist nährwertbezogen, sie weist dem Produkt besondere positive Nährwerteigenschaften zu. Unter Vitalstoffen versteht man alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen, u.a. Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme. Ausgenommen davon sind nur Nährstoffe, die der direkten Energiezufuhr dienen.
Die beanstandete nährwertbezogene Werbung der Beklagten ist gem. Art. 8 Abs. 1 HCVO unzulässig. Der nährwertbezogene Begriff "Vitalstoffe" ist in der Anlage zur HCVO nicht aufgeführt und darf deswegen nicht verwandt werden. Er ist unspezifisch und für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet, weil er eine große Anzahl verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zusammenfasst.
Außerdem entspricht die Werbung nicht den in der HCVO festgelegten Bedingungen. So hat die Beklagte bereits nicht vorgetragen, dass die in den Spiruletten enthaltenen und als Vitalstoffe bezeichneten Substanzen in einer für den Körper verfügbaren Form vorliegen, was gem. Art. 5 Abs. 1 HCVO erforderlich ist. Zudem fehlen die gem. Art. 6 Abs. 1 HCVO notwendigen wissenschaftlichen Nachweise zu den nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben der beanstandeten Werbung.