Werbung von Legal-Tech-Anbieter für Abfindungen ist irreführend
LG Bielefeld 12.12.2017, 15 O 67/17Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um ein Unternehmen aus dem Legal-Tech-Segment. Sie hat ein neues Geschäftsmodell entwickelt: Es lässt sich von gekündigten Arbeitnehmern den im Fall einer Unwirksamkeit der Kündigung bestehenden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung abtreten, übernimmt bei Erfolgsaussicht dessen Durchsetzung gegenüber dem Arbeitgeber und behält 25 % der erstrittenen Abfindung (zzgl. Mwst.) ein. Ihre werbende Tätigkeit nahm die Verfügungsbeklagte Anfang Juli 2017 auf.
Der Verfügungskläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen, nämlich derjenigen der Anwaltschaft. Die Mitglieder sind insbesondere auch in dem Bereich des Arbeitsrechts tätig, in dem Kündigungsschutzverfahren einen großen Raum einnehmen.
Der Verfügungskläger war der Ansicht, dass die Verfügungsbeklagte im Internet Arbeitnehmern Rechtsdienstleistungen anbiete, nämlich die Prüfung und Berechnung vermeintlicher oder tatsächlicher Abfindungsansprüche, die Erstellung von Kündigungsschutzklagen sowie die Durchsetzung vermeintlicher oder tatsächlicher Abfindungsansprüche, ohne hierzu berechtigt zu sein. Darüber hinaus fänden sich an verschiedenen Stellen Herabsetzungen anwaltlicher Tätigkeit und Irreführungstatbestände.
Das LG hat den Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben. Das Verfahren ist zurzeit beim OLG Hamm unter dem Az.: 4 U 32/18 anhängig.
Die Gründe:
Der Verfügungskläger hat hinsichtlich seiner Anträge einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 UWG gegen die Verfügungsbeklagte.
Maßstab aller Überlegungen, ob eine Werbung die Gefahr einer Irreführung begründet, ist der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Im vorliegenden Fall können durch die Werbung der Verfügungsbeklagten verständige, durchschnittlich vorsichtige Verbraucher zumindest zu einem erheblichen Teil irregeführt werden.
Die Werbung der Verfügungsbeklagten im Internet erzeugt dadurch einen wettbewerbswidrigen Anreißeffekt, dass Arbeitnehmer, die soeben durch Kündigung ihren Arbeitsplatz verloren haben, veranlasst werden, über einen bequemen Online-Abfindungsrechner aus der Anonymität heraus einmal durchrechnen zu lassen, mit welcher Abfindung sie eventuell rechnen dürfen. Durch die Eröffnung des Rechtsschutzzuganges über ein Rechenprogramm wird eine gewisse Richtigkeitsgewähr suggeriert, obwohl tatsächlich keine individuelle Prüfung erfolgt. Diese Fehlvorstellung wird durch die Aussage erhärtet, es werde durch das Online-Portal automatisch eine Kündigungsschutzklage erstellt, während das Gerichtsverfahren in Wirklichkeit durch Partneranwälte geführt wird. Hierin liegt eine unklare und irreführende Werbung für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen.
Neben zahlreichen weiteren Werbeaussagen (etwa "Jeder hat ein Recht auf Abfindung! Recht ohne Risiko") und fingierten Kundenbewertungen wird der Verfügungsbeklagten auch die Behauptung untersagt, im Gegensatz zu seinem Angebot sei die Rechtsverfolgung über einen Anwalt "teuer und aufwendig und mit einem hohen Kostenrisiko, hohem Zeitaufwand und Stress verbunden".
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