30.08.2017

Wert der Beschwer bei unzutreffender Einordnung der von einer Partei gestellten Hilfsanträge als Hilfswiderklage

Der Wert der Beschwer ist nach § 45 Abs. 1 GKG zu bemessen, wenn die von einer beklagten Partei gestellten Hilfsanträge, eine Verurteilung nur Zug-um-Zug gegen bestimmte Leistungen auszusprechen, unzutreffend als Hilfswiderklage angesehen werden und diese abgewiesen wird.

BGH 27.7.2017, III ZB 37/16
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Treuhandkommanditistin eines geschlossenen Immobilienfonds. Der Kläger beteiligte sich im Januar 2006 mit 15.000 € mittelbar als Kommanditist an dieser Fondsgesellschaft, wobei die Beklagte seine Beteiligung ebenso wie die verschiedener anderer Anleger treuhänderisch hält. Mit seiner Klage verlangt er von ihr die Mitteilung der Namen, Vornamen, Anschriften und E-Mail-Adressen sämtlicher Treugeber durch einen Ausdruck oder auf einem elektronischen Datenträger, um, wie er geltend macht, seine Rechte aus dem Treuhandvertrag und dadurch mittelbar seine Mitgliedschaftsrechte in der Fondsgesellschaft informiert ausüben und sich mit den übrigen Treugebern zum Zwecke einer fundierten Meinungsbildung austauschen zu können.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten; sie beantragte hilfsweise, sie nur Zug um Zug gegen Abgabe verschiedener Erklärungen des Klägers hinsichtlich der Verwendung der Daten, zur Freistellung von möglichen Ansprüchen gegen sie sowie bzgl. der Leistung einer Sicherheit von 10.000 € zu verurteilen.

Das AG gab der Klage statt; die Hilfsanträge der Beklagten sah es als Hilfswiderklage an und wies sie als solche ab. Mit ihrer Berufung beantragte die Beklagte abermals hilfsweise zu der von ihr weiter in erster Linie begehrten Klageabweisung, sie nur Zug um Zug gegen Abgabe der bereits in erster Instanz vom Kläger verlangten Erklärungen zu verurteilen. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig, weil die Beschwer der Beklagten auf 400 € zu bemessen und damit die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht sei. Mangels ausreichender entgegenstehender Indizien könne nicht positiv festgestellt werden, dass das AG nicht stillschweigend entschieden habe, die Berufung nicht zuzulassen.

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das LG hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht wegen Unterschreitung der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Für die Höhe der Beschwer hat es dabei die Entscheidung des AG, die Hilfsanträge der Beklagten als Hilfswiderklage anzusehen und diese selbständig abzuweisen, nicht ausreichend berücksichtigt.

Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zu einer Auskunftserteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten. Insoweit ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn das LG den erforderlichen Aufwand an Zeit und Kosten für die Benennung der übrigen Treugeber auf weniger als 600 € veranschlagt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der für die eigentliche Auskunftserteilung an Zeit und Kosten angenommene Wert unzutreffend ist, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Ermessensfehlerhaft ist indes die Annahme des LG, die von der Beklagten neben ihrem Klageabweisungsantrag hilfsweise gestellten Anträge erhöhten den Wert ihrer Beschwer nicht, weil sie der Sache nach denselben Gegenstand beträfen und deswegen wirtschaftlich außer Betracht zu bleiben hätten. Zwar hat die Beklagte entgegen der Auffassung des AG und der Rechtsbeschwerde keine Hilfswiderklage erhoben. Ausweislich der Klageschrift hat sie zu ihrem Klageabweisungsantrag lediglich hilfsweise beantragt, sie allenfalls Zug-um-Zug gegen Abgabe verschiedener Erklärungen des Klägers zu verurteilen. Insoweit hat sie sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren ausdrücklich nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Entsprechend hat sie auch im Berufungsverfahren wiederum neben ihrem Klageabweisungsantrag lediglich ihre Hilfsanträge gestellt.

Rechtsfehlerhaft hat das AG dies jedoch als Erhebung einer Hilfswiderklage angesehen und diese, wie aus dem Tenor und der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung zu entnehmen ist, in der Sache selbständig abgewiesen. Auch wenn dies unzutreffend war, ist damit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die von der Beklagten gestellten Hilfsanträge getroffen worden, so dass die Beklagte in diesem Umfang ebenfalls beschwert ist. Verbliebe es nach der Entscheidung des LG, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, bei dem Urteil des AG, würde dieses rechtskräftig mit der Folge, dass die Beklagte ihre Hilfsanträge nicht mehr selbständig geltend machen könnte. Dies wird ihrem prozessualen Vorgehen mit der Geltendmachung lediglich eines Zurückbehaltungsrechts nicht gerecht. Denn anders als bei Zurückweisung einer (Hilfs-)Widerklage ergeht bei der bloßen Zurückweisung eines Zurückbehaltungsrechts eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche nicht.

Bei dieser Sachlage berechnet sich die Beschwer der Beklagten nicht nur nach dem als begründet angesehenen Klagebegehren, sondern ist der Wert der als Hilfswiderklage angesehenen Hilfsanträge mit einzubeziehen. Die Beschwer von Klage und (Hilfs-)Widerklage ist zusammenzurechnen, soweit sie mehrere, wirtschaftlich selbständige Ansprüche zum Gegenstand haben, eine Partei bezüglich beider Klagen unterliegt und das Urteil mit einem Rechtsmittel angreift; die für den Zuständigkeitsstreitwert geltende Regelung des § 5 Halbs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Entsprechend ist im Streitfall zu verfahren. Die Gegenstände von Klage und "Hilfswiderklage" sind dabei nicht als wirtschaftlich identisch anzusehen. Entgegen der Auffassung des LG betreffen die von der Beklagten verfolgten Hilfsanträge nicht lediglich denselben Gegenstand; vielmehr können diese Ansprüche neben dem Klageanspruch bestehen und ggf. in einem gesonderten Prozess gegen den Kläger selbständig geltend gemacht werden.

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