Wettbewerbliche Eigenart eines Produkts entfällt i.d.R. nicht bei Fortentwicklungen oder Sondereditionen
OLG Köln 21.7.2017, 6 U 178/16Die Klägerin ist Herstellerin eines seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland unter der Bezeichnung "M" vertriebenen Damen-Handtaschenmodells. Sie gibt an die Handtaschenserie werde in Deutschland durch die M2 GmbH in verschiedenen Farben und zwei verschiedenen Henkellängen vertrieben. Mittlerweile gibt es verschiedene Modelle der "M", die nicht zwingend den Materialmix aus einfarbigen Nylon und Leder aufweisen, sondern als Sondereditionen auch teilweise gemustert sind.
Die Klägerin gibt an, dass sie auf dem Deutschen Markt seit 2004 einen jährlichen Umsatz von über 3 Mio. € erziele und seit 2009 noch einmal habe den Umsatz steigern können. 2011 seien über 6 Mio. € erzielt worden. Bei dem Modell "M" handele es sich mittlerweile um eine eigene sog. Kultmarke, die von bekannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werbewirksam getragen werde.
Die Klägerin erfuhr spätestens am 2.8.2014 durch einen ihrer Testkäufer von der im vorliegenden Fall streitgegenständlichen Tasche im Ladenlokal der Beklagten. Sie mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben erfolglos ab. Sie erhob daher Klage gegen die Beklagte wegen unlauterer Nachahmung und beantragte u.a. die Unterlassung des Vertriebs der streitgegenständlichen Handtasche sowie Schadensersatz. Die Klage hatte sowohl vor dem LG als auch vor dem OLG Erfolg.
Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 9a UWG aF bzw. Nr. 3a UWG nF zu. Es handelt sich bei der von der Beklagten vertriebenen Handtasche um eine unlautere Nachahmung der vertriebenen und bekannten Originalhandtasche Modell "M" der Klägerin.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung kann der Vertrieb eines nachgeahmten Produkts wettbewerbswidrig sein, wenn das Originalprodukt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Ein Produkt besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, den Verkehr aus deine Herkunft oder Besonderheiten hinzuweisen. Da es zum Zeitpunkt der Einführung der Damen-Handtasche "M" keine vergleichbare Kombination aus Nylon und Leder gab und sich die Faltbarkeit der Tasche als Pionierleistung einordnen lässt, ergibt sich aus der konkreten Ausgestaltung der Tasche ihre wettbewerbliche Eigenart für den Verkehr.
Die wettbewerbliche Eigenart ist auch weder durch Produkte im wettbewerblichen Umfeld (Vielzahl von Nachahmern) noch durch eigene leicht von dem Ursprungsmodell abweichende Sondereditionen oder Fortentwicklungen der Klägerin geschmälert worden, denn das Grundmodell mit den prägenden Merkmalen blieb erhalten. Die Eigenart ist im Gegenteil durch die langjährige hohe Marktpräsenz, den Erwähnungen in den Medien, der Präsenz in der Modewelt sowie den hohen Absatz- und Umsatzzahlen und damit der hohen Bekanntheit über die Jahre hinweg noch gesteigert worden.
Bei der Handtasche der Beklagten handelt es sich um eine an die prägenden Merkmale des Originals angelehnte Übernahme, denn eine nachschaffende Übernahme ist bereits gegeben, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Merkmale des Originals aufweist. Der Materialmix aus ledernem Henkel, Überwurf und Ohren im Gegensatz zum Nylongewebe des Korpus ist gegeben. Der Unterschied der fehlenden Faltbarkeit ist hingegen kein direkt sichtbares Merkmal und daher bei der Beurteilung zu vernachlässigen. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung ist ebenso zu bejahen, denn es kann der Eindruck entstehen, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals.
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