Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung durch längere Untätigkeit nach Kenntniserlangung durch Wissensvertreter
OLG Frankfurt a.M. 11.6.2013, 6 W 61/13Die Antragsgegnerin mahnte den Antragsteller mit Schreiben vom 15.2.2013 wegen eines angeblich irreführenden Internetangebots ab. Der Antragsteller ließ die Abmahnung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.2.2013 zurückweisen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Prozessbevollmächtigte bereits Kenntnis davon, dass die Antragsgegnerin ihrerseits in ihrem Internetauftritt mit angeblich irreführender Darstellung von Testergebnissen warb.
Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin daraufhin am 28.3.2013 wegen dieser Werbeaussagen ab. Am 10.4.2013 stellte der Prozessbevollmächtigte einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§ 12 Abs. 2 UWG), mit der der Antragsteller Unterlassung begehrt.
Das LG wies den Antrag zurück. Die Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen, weil es an einem Verfügungsgrund fehlt.
Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG ist widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass ihm die Angelegenheit "so eilig nicht ist". Ein Dringlichkeitsverlust tritt namentlich dann ein, wenn der Unterlassungsgläubiger mit der Geltendmachung seines Anspruchs im Eilverfahren zu lange zögert. Der Senat wendet zugunsten des Gläubigers einen großzügigen Maßstab an. Insbes. gibt es keine starre Frist von sechs Wochen, innerhalb der der Antragsteller seinen Anspruch geltend machen muss. Dieser Zeitraum bildet jedoch einen groben Zeitrahmen, an welchem sich die unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung orientieren kann.
Im Streitfall erlangte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vor dem 27.2.2013 Kenntnis von den Tatsachen, die den mit dem Verfügungsantrag verfolgten Wettbewerbsverstoß begründen. Denn der Antragsteller ließ die Abmahnung der Antragsgegnerin mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.2.2013 zurückweisen. Wie das LG zutreffend angenommen hat, geht aus diesem Schreiben hervor, dass der Prozessbevollmächtigte bereits vom Inhalt des hier streitgegenständlichen Internetauftritts der Antragsgegnerin Kenntnis genommen hatte. Der Prozessbevollmächtigte hatte den Internetauftritt der Antragsgegnerin außerdem bereits für eine andere Mandantin im Hinblick auf eine gegen sie gerichtete Abmahnung vom 18.2.2013 auf Wettbewerbsverstöße untersucht.
Das LG hat zutreffend angenommen, dass sich der Antragssteller das Wissen seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss. Insoweit sind die Grundsätze über die Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB analog anzuwenden. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es nicht darauf an, ob sein Prozessbevollmächtigter zum Zeitpunkt der Abwehr der Abmahnung der Antragsgegnerin bereits ein Mandat zur Verfolgung von Gegenansprüchen hatte. Einer ausdrücklichen Bestellung zum Wissensvertreter bedarf es nicht. Entscheidend ist, dass der Wissensvertreter dazu berufen ist, für den Geschäftsherrn im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und weiterzuleiten. Dies ist bei einem Anwalt, der mit der Abwehr wettbewerblicher Ansprüche betraut ist der Fall.
Ihn treffen Hinweispflichten auch in Bezug auf Vorgänge außerhalb des eigentlichen Auftragsgegenstandes, wenn wie hier die entsprechende Kenntnis vorlag. Er muss deshalb auch solche ihm zur Kenntnis gelangten Informationen weiterleiten, die einen Gegenangriff auf den abmahnenden Mitbewerber ermöglichen. Der Verfügungsantrag wurde vorliegend am 10.4.2013, mithin über sechs Wochen nach Kenntniserlangung eingereicht. Vom Zeitpunkt der zurechenbaren Kenntniserlangung bis zur Abmahnung der Antragsgegner am 28.3.2013 ist über ein Monat vergangen. Die Zeitspanne von über einem Monat bis zur Abmahnung wäre zu tolerieren, wenn umfangreiche rechtliche Prüfungen oder weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich gewesen wären. Hierzu hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Als bloße Überlegungszeit ist die Zeitspanne zu lang. Der Antragsteller hat damit durch das lange Zuwarten sein Eilbedürfnis widerlegt.
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