27.11.2020

Widerruf eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags

Der Darlehensgeber kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen, wenn in der Widerrufsinformation bei den Hinweisen zu weiteren Verträgen neben einem von den Parteien geschlossenen verbundenen (Kauf-)Vertrag noch weitere, im Einzelfall nicht abgeschlossene (Versicherungs-)Verträge aufgeführt werden. Bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag ist der Verweis in § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB auf § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB dahin auszulegen, dass der Darlehensgeber den Darlehensnehmer lediglich über dessen Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 BGB zu unterrichten hat.

BGH v. 27.10.2020 - XI ZR 498/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im Juli 2017 einen gebrauchten Land Rover zum Kaufpreis von 32.500 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 10.000 € hinausgehenden Kaufpreisteils schlossen die Parteien mit Datum vom 8.7.2017 einen Darlehensvertrag über 22.500 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 0,98 % p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 54 Monatsraten erbracht werden. Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf Seite 4 des Darlehensvertrags.

Mit Schreiben vom 16.4.2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, bot der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 28.5.2018 der Beklagten an, das finanzierte Fahrzeug nach vorheriger Terminvereinbarung bei ihm abzuholen, und forderte sie erfolglos zur Rückzahlung der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung auf. Mit der Klage begehrt der Kläger zuletzt (1.) die Feststellung, dass der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag seit dem Widerruf vom 16.4.2018 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zustehe, und (2.) die Rückzahlung der Anzahlung sowie der von ihm auf das Darlehen erbrachten Leistungen i.H.v. insgesamt rd. 20.400 € nebst Rechtshängigkeitszinsen nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs; ferner verlangt er (3.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, und (4.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gem. § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das OLG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat.

Die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation ist fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" nicht klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist. Der EuGH hat mit Urteil vom 26.3.2020 (C-66/19) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG - Verbraucherkreditrichtlinie) dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Auf der Grundlage dieses Urteils hält der Senat im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge an seiner bislang entgegenstehenden Rechtsprechung nicht fest, wonach ein solcher Verweis klar und verständlich ist.

Die Beklagte kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entspricht. Dies ist hier nicht der Fall. In der Widerrufsinformation hat die Beklagte bei der Unterüberschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" als mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nicht nur den Fahrzeugkaufvertrag, sondern zu Unrecht auch einen Vertrag über eine Restschuldversicherung angegeben. Einen solchen ihm bei den Vertragsverhandlungen allerdings angetragenen Vertrag hat der Kläger nicht abgeschlossen. Der Darlehensgeber kann sich jedoch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen, wenn in der Widerrufsinformation bei den Hinweisen zu weiteren Verträgen neben einem von den Parteien geschlossenen verbundenen (Kauf-)Vertrag noch weitere, im Einzelfall nicht abgeschlossene (Versicherungs-)Verträge aufgeführt werden.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch im Hinblick auf die Klageanträge zu 3 und 4 aus anderen Gründen als richtig, so dass insoweit die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO). Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des finanzierten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, ist jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Soweit sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, ist es in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das OLG wird sich mit dem Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten zu befassen haben. Sofern das OLG den Widerruf des Darlehensvertrags durch den Kläger für wirksam erachtet, wird es zu bedenken haben, dass der mit dem Antrag zu 2 verfolgte Zahlungsanspruch wegen der Vorleistungspflicht des Klägers derzeit unbegründet ist.

Sofern der Kläger seiner Vorleistungspflicht noch genügen sollte, wird sich das OLG mit der Hilfsaufrechnung der Beklagten zu befassen haben. Der Beklagten steht gegen den Kläger gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB ein Anspruch auf Ersatz für den Wertverlust des finanzierten Fahrzeugs zu. Bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag ist der Verweis in § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB auf § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB dahin auszulegen, dass der Darlehensgeber den Darlehensnehmer lediglich über dessen Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 BGB zu unterrichten hat. Der Darlehensgeber hat gegen den Darlehensnehmer einen Anspruch auf Ersatz für den Wertverlust des finanzierten Fahrzeugs. Die Berechnung des Wertersatzanspruchs nach § 357 Abs. 7 BGB richtet sich grundsätzlich nach dem objektiven Wert des Fahrzeugs. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Ausgangswertes ist die Entstehung des Wertersatzanspruchs, d.h. in der Regel die Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher. Für den Endwert kommt es auf den Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs an den Darlehensgeber an.
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