25.11.2015

Widerspruch bei Policenmodell: Versicherter muss sich Verluste anrechnen lassen

Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. muss sich der Versicherungsnehmer bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt wurden, Verluste erwirtschaftet haben. Dem steht weder der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers entgegen, noch das europarechtliche Effektivitätsgebot.

BGH 11.11.2015, IV ZR 513/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte zum September 1999 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit dynamischer Erhöhung im sog. Policenmodell gem. § 5a VVG a.F. abgeschlossen. Auf der Rückseite des dem Kläger anschließend übersandten Versicherungsscheins war unter der fettgedruckten Überschrift "Widerspruchsrecht" eine nicht fettgedruckte Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. enthalten; daran schloss sich eine fettgedruckte Belehrung über das Widerspruchsrecht gem. § 5 Abs. 1 VVG a.F. an. In der Folgezeit erbrachte der Kläger Beiträge i.H.v. 11.833 €.

Im Mai 2013 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. Die Beklagte Die Beklagte sah den Vertrag aufgrund einer Kündigung als zum 1.7.2013 an und zahlte den unter Berücksichtigung der Fondsanteile aus Fondsdeckungskapital und der Fondsanteile aus Überschussguthaben errechneten Wert des Fondsvermögens i.H.v. 8.582 € aus. Mit der Klage verlangte der Kläger Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Betrages, insgesamt 9.374 € nebst Zinsen. Er bestritt den vollständigen Erhalt sämtlicher Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen und hielt den Versicherungsvertrag schon mangels ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerspruchsrecht für nicht wirksam zustande gekommen. Die Beklagte sah den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. aufgrund Verfristung, zumindest aber aufgrund Verwirkung als unwirksam an. Außerdem erhob sie die Einrede der Verjährung.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers i.H.v. 2.841 € nebst Zinsen statt. Auf die Revisionen der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als es etwaige Fondsverluste von dem Zahlungsanspruch des Klägers nicht in Abzug gebracht hatte. Die Anschlussrevision des Klägers wies es zurück.

Gründe:
Der Kläger konnte von der Beklagten eine Prämienrückzahlung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag war infolge des Widerspruchs des Klägers nicht wirksam zustande gekommen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte den Kläger nicht ordnungsgemäß i.S.v. § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht informiert. Die auf der Rückseite des Versicherungsscheins enthaltene Belehrung gem. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. war nicht drucktechnisch deutlich genug gestaltet. Entgegen der Ansicht der Beklagten hatte der Kläger das Recht zum Widerspruch auch nicht verwirkt. Es fehlte hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ebenso schied eine Verjährung aus, da die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB erst mit Schluss des Jahres 2013 - nach Klageerhebung - beginnen konnte.

Der von der Beklagten erhobene Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB griff entgegen der Auffassung des OLG allerdings zum Teil. Zwar konnte sich die Beklagte hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Abschluss- und Verwaltungskosten nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Anders als das Berufungsgericht meinte, musste sich der Kläger aber bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt worden waren, nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten Verluste erwirtschaftet hatten.

Nach dem Willen der Vertragsparteien war das Verlustrisiko hier dem Versicherungsnehmer zugewiesen. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung entscheidet sich nämlich dieser für ein Produkt, bei dem die Höhe der Versicherungsleistung abgesehen von der Todesfallleistung - nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt ist, sondern vom schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängt. Die mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete - Kapitalanlage ist für den Versicherungsnehmer neben der Risikoabsicherung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entscheidet.

Dies rechtfertigt es grundsätzlich, ihm das Verlustrisiko zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss. Dem steht der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers nicht entgegen. Dem europarechtlichen Effektivitätsgebot widerspricht es nicht, wenn der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages widersprechen kann, aber Fondsverluste tragen muss.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück