05.09.2017

YouTube und Google müssen bei Urheberrechtsverstößen E-Mail-Adressen ihrer Nutzer mitteilen

YouTube und Google sind verpflichtet, die E-Mail-Adressen ihrer Nutzer im Fall einer Urheberrechtsverletzung bekanntzugeben, da u.a. den Begriffen "Anschrift" und "Adresse" keine unterschiedliche Bedeutung zukommt. Etwas anderes gilt jedoch für die Telefonnummern und die zugewiesenen IP-Adressen.

OLG Frankfurt a.M. 28.8.2017, 11 U 71/16
Der Sachverhalt:
Auf der Internetplattform von YouTube können audiovisuelle Beiträge von Dritten eingestellt und anderen unentgeltlich zugänglich gemacht werden. Die Nutzer müssen sich vor einem Upload anmelden. Anzugeben ist zwingend ein Name, eine E-Mail-Adresse sowie das Geburtsdatum. Für die Anmeldung benötigt man ein Nutzerkonto bei Google, dem Mutterkonzern von YouTube. Die Klägerin ist eine deutsche Filmverwerterin. Sie besitzt die ausschließlichen Nutzungsrechte an zwei Filmen, die von drei verschiedenen Nutzern der Plattform YouTube öffentlich angeboten und jeweils mehrere tausendmal abgerufen worden waren. Die Nutzer handelten unter einem Pseudonym.

Die Klägerin wollte diese Nutzer wegen der Verletzung ihrer Urheberrechte in Anspruch nehmen. Sie begehrte deshalb zunächst von den beklagten Unternehmen YouTube und Google die Angabe der Klarnamen und der Postanschrift der Nutzer. Nachdem die Beklagten erklärt hatten, dass diese Angaben ihnen nicht vorlägen, verfolgte sie diesen Anspruch nicht weiter. Vielmehr begehrte sie nur noch Auskunft über die E-Mail Adressen, Telefonnummern und die IP-Adressen.

Das LG wies die Klage mit der Begründung ab, dass kein Anspruch auf Bekanntgabe dieser Daten bestünde. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin war teilweise erfolgreich. Das Berufungsurteil ist noch nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Die Beklagten sind verpflichtet, die E-Mail-Adressen bekanntzugeben. Die Telefonnummern und maßgeblichen IP-Adressen müssen dagegen nicht mitgeteilt werden.

Die Beklagten hatten für die von den Nutzern begangenen Rechtsverletzungen gewerbsmäßig Dienstleistungen gem. § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG zur Verfügung gestellt. Infolgedessen sind sie gem. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG verpflichtet, Auskunft über "Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke" zu erteilen. Unter den Begriff der "Anschrift" fällt insofern auch die E-Mail-Adresse. Den Begriffen "Anschrift" und "Adresse" kommt keine unterschiedliche Bedeutung zu. Dass mit der Bezeichnung "Anschrift" im Deutschen ursprünglich lediglich die Postanschrift gemeint war, ist nämlich historisch begründet.

Es geht allein um die Angabe des Ortes, an dem man jemanden "anschreiben" kann. Die gewählte Formulierung der "Anschrift" geht zudem auf das Jahr 1990 zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte der E-Mail-Verkehr kaum eine praktische Bedeutung gehabt. Setzt man somit "Anschrift" mit "Adresse" gleich, erfasst dies eindeutig auch die E-Mail-Adresse. Denn auch hier handelt es sich um eine Angabe, wohin man schreiben muss, damit das Geschriebene den Empfänger erreicht. Nur dieses Begriffsverständnis trägt den geänderten Kommunikationsgewohnheiten und dem Siegeszug des elektronischen Geschäftsverkehrs hinreichend Rechnung.

Telefonnummer und IP-Adresse sind hingegen nicht vom Auskunftsanspruch umfasst. Denn nach allgemeinem Sprachgebrauch verkörpern "Anschrift" einerseits und "Telefonnummer" andererseits unterschiedliche Kontaktdaten. Der von der Klägerin eingeführte Begriff der "Telefonanschrift" ist zudem auch nicht gebräuchlich. Bei IP-Adressen handelt es sich - trotz des Wortbestandteils "Adresse" - bereits deshalb nicht um eine "Anschrift", da der IP-Adresse keinerlei Kommunikationsfunktion zukommt. Sie dient allein der Identifizierung des Endgerätes, von dem aus eine bestimmte Webseite aufgerufen wird.

OLG Frankfurt a.M. Pressemitteilung v. 4.9.2017
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