Zigarettenautomaten mit verdeckten Schockbildern an der Supermarktkasse sind zulässig
OLG München v. 25.7.2019 - 29 U 2440/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck es u.a. ist den Verbraucherschutz im Hinblick auf Tabakerzeugnisse zu fördern. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. In den Verkaufsräumen bietet er diverse Tabakerzeugnisse an, wobei die angebotenen Zigarettenpackungen in einem Warenausgabeautomaten bereitgehalten werden. Diejenigen Verbraucher, die Zigaretten erwerben möchten, treffen ihre Wahl dadurch, dass sie die entsprechende, mit der jeweiligen Marke versehene Auswahltaste betätigen, woraufhin die angeforderten Zigarettenpackungen aus der Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert werden. Die Bezahlung der Ware erfolgt sodann an der Kasse selbst, sofern der Kunde an seinem Plan, die ausgewählten Zigaretten zu erwerben, festhält.
Die Funktionsweise des Ausgabeautomaten dient auch der Diebstahlsicherung und dem Jugendschutz. Der Kläger war allerdings der Ansicht, dass der Beklagte sich durch die streitgegenständliche Art des Anbietens von Zigaretten wettbewerbswidrig verhalte. Schließlich führe das Anbieten von Zigarettenpackungen in einer geschlossenen Einrichtung mit Sichtschutz dazu, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen vollständig verdeckt würden und so für den Kunden des Supermarktes nicht ersichtlich seien. Zwar seien auf dem Warenautomaten Abbildungen der angebotenen Zigarettenschachteln zu sehen, die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise enthielten diese jedoch nicht.
Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV nicht zu, da das beanstandete Verhalten nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der TabakerzV nicht unlauter ist und auch den Tatbestand des § 5a Abs. 2 UWG nicht erfüllt.
Der Beklagte hat nicht gegen das in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV enthaltene Verdeckungsverbot verstoßen. Das Vorrätighalten von Zigarettenpackungen in einem Warenausgabeautomaten eines Supermarktes, aus dem der Kunde die Zigaretten seiner Wahl dadurch bezieht, dass er die entsprechende Auswahltaste nach zuvor erfolgter Freigabe durch das Kassenpersonal betätigt, woraufhin die angeforderten Zigarettenpackungen aus der Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und erst danach vom Kunden bezahlt werden, ist nicht als Anbieten i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen, da es sich dabei lediglich um eine bloße von der richtlinienkonform auszulegenden Vorschrift nicht erfasste Verkaufsmodalität handelt.
Es kann dahinstehen, ob die richtlinienkonforme Auslegung von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV generell auch diejenigen Fälle erfassen soll, in denen nicht nur die gesundheitsbezogenen Warnhinweise verdeckt sind, sondern die gesamte Packung als solche bis zum Abschluss des Kaufvertrags für den Verbraucher nicht sichtbar ist. Denn jedenfalls genügt ein Verkäufer dann den Anforderungen von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV, wenn der Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrags den Kaufgegenstand und damit die auf diesem angebrachten gesundheitsbezogenen Warnhinweise zur Kenntnis nehmen kann, d.h. die Schockbilder müssen lediglich im Moment des Kaufs auf der Zigarettenschachtel zu sehen sein.
Der Beklagte hat auch keine wesentlichen Informationen i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG vorenthalten. Es ist bereits fraglich, ob die gesundheitsbezogenen Warnhinweise als wesentliche Informationen im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können. Dagegen spricht, dass die von der TabakerzV erfassten Tabakerzeugnisse nicht sämtliche vorgesehenen kombinierten Text-Bild-Warnhinweise tragen müssen, sondern jeweils nur eine Kombination. Es ist mithin dem Zufall überlassen, ob der Verbraucher, der eine Schachtel Zigaretten kauft, durch die text- und bildlichen Warnhinweise über die schädlichen Folgen für die Fruchtbarkeit, das erhöhte Risiko zu erblinden oder andere Gesundheitsgefahren "aufgeklärt" wird. Jedenfalls aber ist es ausreichend, wenn dem Verbraucher die auf der jeweils zum Kauf ausgewählten Packung angebrachten Warnhinweise - wie oben bereits erwähnt - vor dem Kaufvertragsabschluss zur Kenntnis gebracht werden.
Schließlich kann dem Beklagten auch kein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV zur Last gelegt werden. Danach müssen Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der EU bestimmt sind, den Anforderungen von Abschnitt 1, Unterabschnitt 3 der TabakerzV genügen. Daraus ergibt sich, dass die Vorschrift Art. 8 Abs. 8 der TPRL umsetzen soll und auf der Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG beruht. Danach wird der Verordnungsgeber jedoch nicht dazu ermächtigt, die TPRL umzusetzen, eine Ermächtigungsgrundlage hierfür ist in § 6 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG enthalten. § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG ermächtigt vielmehr den Verordnungsgeber allein dazu, Vorschriften zur Durchführung der Verbote des Abs. 1 zu erlassen, insbesondere die Art, den Umfang oder die Gestaltung der Werbung durch bestimmte Werbemittel oder an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten zu regeln.
Dass die in § 21 Abs. 1 TabakerzG aufgestellten Werbeverbote überhaupt durch § 11 Abs. 2 TabakerzV geregelt werden sollen, erscheint angesichts dessen fraglich. Denn Gegenstand der TPRL und mithin auch von Art. 8 Abs. 8 TPRL ist gerade nicht die Bewerbung von Tabakerzeugnissen, so dass die Begründung des Verordnungsgebers für den Erlass von § 11 Abs. 2 TabakerzV in sich widersprüchlich ist: wenn die Norm Art. 8 Abs. 8 TPRL umsetzen soll, dann kann diese nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG gestützt werden; soll sie hingegen nationale gesetzliche Werbeverbote im nicht harmonisierten Bereich konkretisieren, kann sie nicht der Umsetzung von Art. 8 Abs. 8 TPRL dienen. Unabhängig davon, ob angesichts dessen § 11 Abs. 2 TabakerzV überhaupt als grds. anwendbar anzusehen ist, fällt die hier beanstandete Verhaltensweise nicht unter diese Vorschrift.
Da die Frage, ob der streitgegenständliche Warenausgabeautomat den richtlinienkonform auszulegenden Bestimmungen der TabakerzV entspricht, für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung ist, wurde die Revision zugelassen.
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Bayern.Recht
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck es u.a. ist den Verbraucherschutz im Hinblick auf Tabakerzeugnisse zu fördern. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. In den Verkaufsräumen bietet er diverse Tabakerzeugnisse an, wobei die angebotenen Zigarettenpackungen in einem Warenausgabeautomaten bereitgehalten werden. Diejenigen Verbraucher, die Zigaretten erwerben möchten, treffen ihre Wahl dadurch, dass sie die entsprechende, mit der jeweiligen Marke versehene Auswahltaste betätigen, woraufhin die angeforderten Zigarettenpackungen aus der Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert werden. Die Bezahlung der Ware erfolgt sodann an der Kasse selbst, sofern der Kunde an seinem Plan, die ausgewählten Zigaretten zu erwerben, festhält.
Die Funktionsweise des Ausgabeautomaten dient auch der Diebstahlsicherung und dem Jugendschutz. Der Kläger war allerdings der Ansicht, dass der Beklagte sich durch die streitgegenständliche Art des Anbietens von Zigaretten wettbewerbswidrig verhalte. Schließlich führe das Anbieten von Zigarettenpackungen in einer geschlossenen Einrichtung mit Sichtschutz dazu, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen vollständig verdeckt würden und so für den Kunden des Supermarktes nicht ersichtlich seien. Zwar seien auf dem Warenautomaten Abbildungen der angebotenen Zigarettenschachteln zu sehen, die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise enthielten diese jedoch nicht.
Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1, § 3, § 3a UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV nicht zu, da das beanstandete Verhalten nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der TabakerzV nicht unlauter ist und auch den Tatbestand des § 5a Abs. 2 UWG nicht erfüllt.
Der Beklagte hat nicht gegen das in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV enthaltene Verdeckungsverbot verstoßen. Das Vorrätighalten von Zigarettenpackungen in einem Warenausgabeautomaten eines Supermarktes, aus dem der Kunde die Zigaretten seiner Wahl dadurch bezieht, dass er die entsprechende Auswahltaste nach zuvor erfolgter Freigabe durch das Kassenpersonal betätigt, woraufhin die angeforderten Zigarettenpackungen aus der Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und erst danach vom Kunden bezahlt werden, ist nicht als Anbieten i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV anzusehen, da es sich dabei lediglich um eine bloße von der richtlinienkonform auszulegenden Vorschrift nicht erfasste Verkaufsmodalität handelt.
Es kann dahinstehen, ob die richtlinienkonforme Auslegung von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV generell auch diejenigen Fälle erfassen soll, in denen nicht nur die gesundheitsbezogenen Warnhinweise verdeckt sind, sondern die gesamte Packung als solche bis zum Abschluss des Kaufvertrags für den Verbraucher nicht sichtbar ist. Denn jedenfalls genügt ein Verkäufer dann den Anforderungen von § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TabakerzV, wenn der Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrags den Kaufgegenstand und damit die auf diesem angebrachten gesundheitsbezogenen Warnhinweise zur Kenntnis nehmen kann, d.h. die Schockbilder müssen lediglich im Moment des Kaufs auf der Zigarettenschachtel zu sehen sein.
Der Beklagte hat auch keine wesentlichen Informationen i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG vorenthalten. Es ist bereits fraglich, ob die gesundheitsbezogenen Warnhinweise als wesentliche Informationen im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können. Dagegen spricht, dass die von der TabakerzV erfassten Tabakerzeugnisse nicht sämtliche vorgesehenen kombinierten Text-Bild-Warnhinweise tragen müssen, sondern jeweils nur eine Kombination. Es ist mithin dem Zufall überlassen, ob der Verbraucher, der eine Schachtel Zigaretten kauft, durch die text- und bildlichen Warnhinweise über die schädlichen Folgen für die Fruchtbarkeit, das erhöhte Risiko zu erblinden oder andere Gesundheitsgefahren "aufgeklärt" wird. Jedenfalls aber ist es ausreichend, wenn dem Verbraucher die auf der jeweils zum Kauf ausgewählten Packung angebrachten Warnhinweise - wie oben bereits erwähnt - vor dem Kaufvertragsabschluss zur Kenntnis gebracht werden.
Schließlich kann dem Beklagten auch kein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 TabakerzV zur Last gelegt werden. Danach müssen Abbildungen von Packungen und Außenverpackungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der EU bestimmt sind, den Anforderungen von Abschnitt 1, Unterabschnitt 3 der TabakerzV genügen. Daraus ergibt sich, dass die Vorschrift Art. 8 Abs. 8 der TPRL umsetzen soll und auf der Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG beruht. Danach wird der Verordnungsgeber jedoch nicht dazu ermächtigt, die TPRL umzusetzen, eine Ermächtigungsgrundlage hierfür ist in § 6 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG enthalten. § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG ermächtigt vielmehr den Verordnungsgeber allein dazu, Vorschriften zur Durchführung der Verbote des Abs. 1 zu erlassen, insbesondere die Art, den Umfang oder die Gestaltung der Werbung durch bestimmte Werbemittel oder an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten zu regeln.
Dass die in § 21 Abs. 1 TabakerzG aufgestellten Werbeverbote überhaupt durch § 11 Abs. 2 TabakerzV geregelt werden sollen, erscheint angesichts dessen fraglich. Denn Gegenstand der TPRL und mithin auch von Art. 8 Abs. 8 TPRL ist gerade nicht die Bewerbung von Tabakerzeugnissen, so dass die Begründung des Verordnungsgebers für den Erlass von § 11 Abs. 2 TabakerzV in sich widersprüchlich ist: wenn die Norm Art. 8 Abs. 8 TPRL umsetzen soll, dann kann diese nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG gestützt werden; soll sie hingegen nationale gesetzliche Werbeverbote im nicht harmonisierten Bereich konkretisieren, kann sie nicht der Umsetzung von Art. 8 Abs. 8 TPRL dienen. Unabhängig davon, ob angesichts dessen § 11 Abs. 2 TabakerzV überhaupt als grds. anwendbar anzusehen ist, fällt die hier beanstandete Verhaltensweise nicht unter diese Vorschrift.
Da die Frage, ob der streitgegenständliche Warenausgabeautomat den richtlinienkonform auszulegenden Bestimmungen der TabakerzV entspricht, für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung ist, wurde die Revision zugelassen.
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