28.05.2024

Zitat ohne Kontext kann unzulässiges Fehlzitat sein

Ein Fehlzitat kann vorliegen, wenn in einer Berichterstattung nur ein Satz eines Facebook-Posts zitiert wird, ohne auch den weiteren Kontext wiederzugeben, in dem der zitierte Satz steht (hier: Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung). Eine an das Zitat anknüpfende Wertung der Aussage als "antisemitisch" kann dagegen eine zulässige Meinungsäußerung sein.

OLG Frankfurt a.M. v. 8.5.2024 - 16 U 169/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger wendet sich gegen vier Aussagen im Rahmen zweier Berichterstattungen der Beklagten. Er ist stellvertretender Vorsitzender einer kleinen Partei und Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. In dem Bericht hieß es u.a., dass der Kläger auf Facebook geschrieben habe: "Während man nur noch von Corona redet, hat man den wahren Virus im Nahen Osten vergessen: Israel".

Der Kläger ist der Ansicht, die Berichterstattung stelle ihn als Antisemiten dar und verletze ihn in seinen Persönlichkeitsrechten. Das LG hatte seine auf Unterlassung von vier Aussagen gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG nur hinsichtlich einer Aussage Erfolg. Das OLG bestätigte im Wesentlichen die landgerichtliche Entscheidung, mit der Unterlassungsansprüche des Klägers abgewiesen worden waren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Die Gründe:
Drei der angegriffenen Äußerungen enthielten zulässige Meinungsäußerungen. Soweit in den Berichten das Adjektiv "antisemitisch" verwendet wird, liegt eine zulässige Meinungsäußerung vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wird nicht er als Person als Antisemit bezeichnet, sondern konkret aufgeführte Äußerungen als antisemitisch. Die Beklagte hat diese Bewertung auf einen objektiv tatsächlichen Anknüpfungspunkt in Form des vorausgegangenen Posts des Klägers auf Facebook zurückführen können. Der Post bietet (noch) einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte diesen Beitrag als antisemitisch hat beurteilen können. Der Kläger hat den Staat Israel durch den Begriff "Virus" mit einem Krankheitserreger gleichgesetzt, der - vergleichbar mit dem Corona-Virus - bekämpft und ausgerottet werden müsse. Bei Abwägung der involvierten Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass der Artikel einen Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage darstellt. Für die Öffentlichkeit sind sowohl die kleine Partei als Teil der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung als auch die von ihren Vertretern nach außen vertretenen Ansichten von wesentlichem Interesse.

Mit Erfolg wende sich der Kläger aber gegen die Aussage, dass er auf Facebook das oben wiedergegebene Zitat geschrieben habe. Das Zitat verfälscht die eigentliche Äußerung des Klägers. Im Ursprungspost hat die Äußerung im Kontext mit Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gestanden. Durch das nicht gekennzeichnete Weglassen dieser Passage erhält das Zitat eine andere Färbung und entspricht nicht mehr dem, was der Kläger tatsächlich gesagt hat. Mit der Bezeichnung Israels als "wahren Virus" hat der Kläger Kritik an der Siedlungspolitik des israelischen Staats seit 1948 zum Ausdruck bringen wollen. Es macht einen Unterschied, ob eine generell ablehnende Haltung gegenüber der Bevölkerung Israels geäußert wird, wie es die als Zitat des Klägers wiedergegebene Äußerung der Beklagten nahelegt, oder ob hierfür ein sachlicher Bezug, nämlich die dortige Siedlungspolitik angeführt wird.

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 31 vom 28.5.2024
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