Zivilrechtlicher Ehrenschutz des BMZ: Taliban-Tweet eines bekannten Journalisten muss gelöscht werden
KG Berlin v. 14.11.2023 - 10 W 184/23Das LG hatte den Antrag abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten:
"Deutschland zahlte in den letzten zwei Jahren 370 MILLIONEN EURO (!!!) Entwicklungshilfe an die TALIBAN (!!!!!!)."
wie in einem Tweet des Antragsgegners geschehen.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vor dem KG hatte Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Antragstellerin steht gegenüber dem Antragsgegner ein auf §§ 823 Absatz 2, 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit §§ 185 ff., 194 StGB gestützter Unterlassungsanspruch zu. Der Tweet ist geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), und deren Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts können zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Die Äußerung des Antragsgegners ist eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Antragstellerin zu gefährden.
Es handelt sich bei dem "Tweet" des Antragstellers nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um die Tatsachenbehauptung, die die Bundesrepublik Deutschland habe in den letzten zwei Jahren 370 Millionen Euro Entwicklungshilfe an die "Taliban" gezahlt. Diese Äußerung versteht der Durchschnittsleser dahingehend, Entwicklungshilfezahlungen in der genannten Höhe seien in den letzten zwei Jahren (seit der Machtübernahme durch die Taliban am 15. August 2021) an die derzeitigen Machthaber in Afghanistan geleistet worden.
Soweit der Antragsgegner demgegenüber meint, es handele sich um eine Bewertung der "Zahlung von Entwicklungshilfe als Zahlung an das dortige Regime" und damit eine zulässige Meinungsäußerung, ist dem nicht zu folgen. Aus der Sinndeutung ergibt sich aus der Sicht des Durchschnittslesers gerade nicht, der Antragsgegner habe die Gefahr des mittelbaren Zugutekommens von Zahlungen für Entwicklungshilfe an die Machthaber in Afghanistan thematisiert. Für den Durchschnittsleser ergibt sich vielmehr die Behauptung, die Regierung habe Zahlungen an die Taliban geleistet und der Antragsgegner bewerte diese "Tatsache".
Mehr zum Thema:
Link zum Volltext der Entscheidung des KG
Rechtsprechung:
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei Rufschädigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
OLG Celle vom 25.5.2021 - 5 U 6/21
AfP 2022, 168
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