12.09.2014

Zu Bindungswirkungen im Rahmen der Feststellung eines Verlustvortrages

Die Verlustfeststellung kann jederzeit innerhalb der Festsetzungsfrist beantragt werden, wenn keine Einkommensteuerveranlagung für das Verlustentstehungsjahr durchgeführt wurde. Fehlt es an einer derartigen Steuerfestsetzungen, bestehen keine Bescheide, denen Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt worden sind.

FG Düsseldorf 7.5.2014, 15 K 14/14 E,F
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über Bindungswirkungen im Rahmen der Feststellung eines Verlustvortrages nach § 10d Abs. 4 EStG i.d.F des JStG 2010. Die Klägerin reichte im Juli 2012 Einkommensteuererklärungen 2005 bis 2007 (Einzelveranlagung) sowie Erklärungen zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31.12.2005 bis 31.12.2007 ein. Sie machte Berufsausbildungskosten als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend; Einnahmen erzielte die Klägerin in den Streitjahren nicht.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2005 bis 2007 auf 0 € fest; die Berufsausbildungskosten berücksichtigte es als Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 4.000 €. Eine Verlustfeststellung lehnte es unter Hinweis auf das Fehlen ausgleichsfähiger negativer Einkünfte ab. Hiergegen legte die Klägerin Einsprüche ein und machte weiterhin einen Werbungskostenabzug für die Ausbildungskosten geltend; zudem möge das Finanzamt entsprechende Verlustfeststellungen durchführen. Das Einspruchsverfahren möge ruhen bis zum Abschluss der beim BFH anhängigen Revisionsverfahren VI R 2/12 und VI R 6/12 zur Frage des Werbungskostenabzugs für ein Erststudium.

Das Finanzamt teilte mit, eine Steuerfestsetzung sei angesichts der bereits verstrichenen vierjährigen Feststellungsfrist nicht mehr möglich; die gleichwohl noch erlassenen Einkommensteuerbescheide seien aufzuheben. Die für Verjährungsfristen maßgebende Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 AO gelte nicht für den hier vorliegenden Fall der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Die beantragte Verlustfeststellung komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Verlustfeststellung sei nach der Neufassung des § 10d Abs. 4 S. 4 EStG an die Einkommensteuerbescheide als Grundlagenbescheide gebunden; diese seien hier angesichts der eingetretenen Festsetzungsverjährung aufzuheben und wiesen ohnehin keine Verluste aus. Der Ausnahmetatbestand des § 10d Abs. 4 S. 5 EStG für eine weitergehende Möglichkeit der Verlustfeststellung sei nicht einschlägig, weil die Einkommensteuer angesichts der eingetretenen Verjährung nicht mehr änderbar sei.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Unrecht die Ablehnung der Verlustfeststellung auf eine Bindungswirkung nach § 10d Abs. 4 S. 4, 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 gestützt und sich an einer materiellrechtlichen Beurteilung des Steuerabzugs für Kosten des Erststudiums gehindert gesehen.

Mit der Neufassung von § 10d Abs. 4 S. 4, 5 EStG hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung lt. Urteil des BFH vom 17.9.2008, IX R 70/06 die Grundlage entzogen; nach diesem Urteil durfte ein Verlustfeststellungsbescheid auch noch nach Bestandskraft des (keinen Verlust ausweisenden) Einkommensteuerbescheides ergehen, wodurch erhebliche zeitliche Verzögerungen eintreten konnten. Die neue Gesetzesregelung bewirkt eine Bindungswirkung der Feststellung an den Einkommensteuerbescheid; letzter wirkt "wie" ein Grundlagenbescheid. Eine derartige Bindungswirkung für die Verlustfeststellung besteht indes nicht, wenn gar keine Einkommensteuerfestsetzung vorliegt - wie hier, nach zutreffender Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2007, der Fall.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die eine Bindungswirkung für die Besteuerungsgrundlagen nur annimmt, wie sie den Einkommensteuerfestsetzungen zu Grunde gelegt worden sind. Fehlt es an einer derartigen Steuerfestsetzungen, bestehen keine Bescheide, denen Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt worden sind. Die Vorschrift gelangt (von vornherein) nicht zur Anwendung. Diese Auffassung des Senates entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur. Ist damit Satz 4 der Regelung des § 10d Abs. 4 EStG nicht anwendbar, kommt es auf die Vorschrift des Satz 5, der nur Abweichungen zu Satz 4 regelt, nicht mehr an.

Eine Festsetzungsverjährung ist für die Verlustfeststellung noch nicht eingetreten. Nach § 10d Abs. 4 S. 6 HS 1 EStG endet die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist. Die Regelung knüpft an die allgemeine Festsetzungsfrist nach §§ 169, 170 AO an. Vorliegend ist die Festsetzungsverjährung für eine Verlustfeststellung noch nicht eingetreten, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist und vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt worden ist. Insbes. regelt Satz 6, HS 1 nicht das Ende der Frist für die Verlustfeststellung, sondern die Mindestdauer.

Linkhinweis:

Rechtsprechungsdatenbank NRW
Zurück