Zu den Anforderungen an die Darlegung des Anlegers zu den von ihm geltend gemachten Pflichtverletzungen des Anlageberaters
BGH 6.12.2012, III ZR 66/12Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Auf Empfehlung des Beklagten zeichnete der beruflich als Kraftfahrer tätige Kläger im Juli 1991 eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an der L-AG, einem Unternehmen der G-Gruppe, mit einem Umfang von insgesamt 36.000 DM (nebst 5 Prozent Agio). Die Zeichnungssumme war in 180 Monatsraten von jeweils 200 DM zu entrichten. Bei der Zeichnung entschied sich der Kläger (durch Ankreuzen des betreffenden Auswahlfelds) für die Wiederanlage eines Betrags in Höhe der ihm jährlich auszuzahlenden Ausschüttung im Rahmen eines "Pensions-Sparplans".
In diesem Zusammenhang zeichnete die vom Kläger entsprechend bevollmächtigte L-AG für den Kläger in den Jahren 1992, 1995 und 1998 Folgebeteiligungen an weiteren Beteiligungsgesellschaften der G-Gruppe. Der Kläger erbrachte für seine Beteiligung insgesamt Zahlungen i.H.v. rd. 11.000 €. Die Ratenzahlung für seine Einlage stellte er aufgrund einer Beitragsfreistellungsvereinbarung ab September 2000 ein. Im Juni 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Anlagegesellschaften der G-Gruppe eröffnet.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe als Anlageberater gehandelt und die Beteiligung fehlerhaft als eine sichere Kapitalanlage für die Altersvorsorge empfohlen. Zudem habe der Beklagte nicht über das Konzept der atypisch stillen Mitunternehmerschaft mit Verlustzuweisung informiert und den Kläger über die Nachteile und Risiken (insbes. Totalverlustrisiko, fehlende Fungibilität und Rentabilität, eventuelle Nachschusspflicht) sowie die fehlende Plausibilität der Kapitalanlage nicht aufgeklärt. Der Beklagte behauptet, er sei lediglich als Anlagevermittler tätig geworden. Er stellt Beratungsfehler in Abrede und verweist auf die Ausführungen im Zeichnungsschein und im Anlageprospekt.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat die Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substantiiertheit der Darlegung des Anlegers zu den von ihm geltend gemachten Pflichtverletzungen des Anlageberaters (bzw. Anlagevermittlers) in unzulässiger Weise überspannt.
Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Der Vortrag weiterer Einzeltatsachen, die etwa den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, kann dann nicht verlangt werden. Der Kläger hat unter Beweisangebot (Zeugnis seiner Ehefrau) vorgetragen, dass es nur ein Beratungsgespräch zwischen den Parteien gegeben habe, an dessen Ende die Zeichnung der Beteiligung gestanden habe. Es sei ihm ausdrücklich um eine "sichere Altersvorsorge" gegangen und der Beklagte habe ihm die Beteiligung als für dieses Anlageziel geeignet dargestellt.
Der Anlageprospekt sei ihm vor der Zeichnung der Beteiligung nicht ausgehändigt und auch nicht inhaltlich mit ihm besprochen worden. Der Beklagte habe ihn weder über die Risiken und Nachteile der Anlage (u.a. Nachschusspflicht und Totalverlustrisiko) noch darüber unterrichtet, dass er, der Beklagte, die Plausibilität des Anlagemodells nicht überprüft habe. Das OLG hat diesen Vortrag für nicht hinreichend substantiiert befunden und gemeint, es fehle an dem erforderlichen Vorbringen z.B. zu der Anbahnungssituation oder zu den Vorkenntnissen des Anlegers. Der Kläger habe auch keinen näheren Vortrag zum inhaltlichen Ablauf der Beratungsgespräche gehalten. Damit hat das OLG die die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags überspannt.
Der klageführende Anleger ist - zumal nach Ablauf längerer Zeit - nicht gehalten, die genauen Formulierungen darzustellen, die der Anlageberater oder -vermittler beim Anlagegespräch gewählt hat. Es genügt, wenn er die (behaupteten) Angaben und Versäumnisse in ihrem Kerngehalt wiedergibt. Die vom Kläger eingereichten Schriftsätze enthalten auch Vortrag zum konkreten Fallgeschehen. Dies hat das OLG rechtsfehlerhaft verkannt. Soweit das OLG die im Anlageprospekt enthaltenen Risikohinweise für ausreichend hält, kann diese Begründung allenfalls dann zum Tragen kommen, wenn der Prospekt dem Anleger rechtzeitig vor der Zeichnung der Anlage übergeben (und ggf. mit ihm erörtert) worden ist. Eine (vorherige) Prospektübergabe aber hat der Kläger bestritten und sich hierzu auf das Zeugnis seiner Ehefrau berufen. Dieses Beweisangebot hat das OLG übersehen.
Mit Recht wendet sich die Revision schließlich auch gegen die Ausführungen des OLG zur Frage der anlegergerechten Beratung des Klägers. Revisionsrechtlich war der Abschluss eines Beratungsvertrags zu unterstellen, mit der Folge, dass der Beklagte zu einer anlegergerechten Beratung des Klägers verpflichtet gewesen wäre. Sollte der Kläger - wie von ihm unter Beweisangebot behauptet - eine "sichere Anlage zur Altersvorsorge" gewünscht haben, so wäre die Anlageempfehlung des Beklagten nicht "anlegergerecht" und mithin pflichtwidrig gewesen. Zwar mag eine unternehmerische Beteiligung mit Totalverlustrisiko für eine ergänzende Altersvorsorge nicht schlechthin oder generell ungeeignet sein. Wird jedoch eine "sichere" Anlage für Zwecke der Altersvorsorge gewünscht, so kann die Empfehlung einer solchen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft sein.
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