05.02.2019

Zu den Grenzen der Zulässigkeit presserechtlicher Informationsschreiben

Die Übermittlung eines "presserechtlichen Informationsschreibens" greift in der Regel nicht rechtswidrig in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Presseunternehmens ein. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt werden.

BGH v. 15.1.2019 - VI ZR 506/17
Der Sachverhalt:

Der Verlag der Klägerin gibt eine Zeitung heraus, in der unter der Rubrik "Herzblatt-Geschichten" Veröffentlichungen der Boulevardpresse über Prominente aufgegriffen werden. Der Beklagte zu 2), ein bekannter Musiker, war wiederholt Gegenstand solcher Berichterstattung durch die Klägerin. Die Beklagte zu 1) betreibt eine presserechtlich tätige Rechtsanwaltskanzlei. Sie versendet an von ihr ausgewählte Verlage "presserechtliche Informationsschreiben". Im Oktober 2015 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) auf, sie aus dem Verteiler für den Versand von "presserechtlichen Informationsschreiben" oder "presserechtlichen Warnschreiben" zu nehmen. Sie wünsche diese Schreiben in Zukunft weder per Telefax noch per E-Mail oder per Post zu bekommen. Diese verursachten einen erheblichen Mehraufwand bei ihrer Rechtsabteilung, ohne dass dem ein Mehrwert an Information gegenüberstehe.

Außerdem forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) auf, den Beklagten zu 2) darauf hinzuweisen, dass sie zukünftig keine "presserechtlichen Informationsschreiben" oder "presserechtlichen Warnschreiben" per Telefax, E-Mail oder Post von ihm wünsche. Die Beklagte zu 1) teilte der Klägerin im Rahmen der nachfolgenden Korrespondenz im Oktober 2015 Folgendes mit: "ich bitte um Verständnis, dass ich nicht rechtsberatend für die [...] tätig sein darf. Gehen Sie davon aus, dass diese Rechtsproblematik entschieden ist. Wir werden auch weiterhin presserechtliche Informationsschreiben an Sie senden. Es ist Ihnen anheimgestellt, uns bereits jetzt zu verklagen, ggf. Feststellungsklage zu erheben. Wir haben keinen Anlass, von unserer bisherigen Praxis Abstand zu nehmen, auch gegenüber der [...] und der [...]. Es geht nicht darum meine Mandanten zu verklagen. Ich hatte angeregt, dass Sie unsere Kanzlei verklagen, weil wir Ihnen ja diese Briefe schicken. Es ist meine vornehmste Pflicht, für den Mandanten dafür zu sorgen, dass rechtswidrige Berichterstattung nicht übernommen wird und ich werde daran weiter festhalten."

Im Mai 2016 übersandte die Beklagte zu 1) der Klägerin ein Telefax mit der Überschrift "Presserechtliches Informationsschreiben" und folgendem Inhalt: "Im Auftrag des Beklagten zu 2) und seiner Lebensgefährtin weise ich namens und in Vollmacht meiner Klienten aus Anlass der aktuellen BUNTE-Berichterstattung auf Folgendes hin: Ich werde gegen die aktuelle Berichterstattung in der "BUNTEN" rechtliche Schritte einleiten und sowohl die Wort- als auch die Bildberichterstattung verbieten. Die Berichterstattung greift massiv in die Privatsphäre meiner Klienten ein und ist gegen ihren Willen erfolgt. Zudem enthält der Artikel mannigfaltige Unwahrheiten bereits auf der Titelseite der `BUNTEN`. Die Paparazziabschüsse unserer Klienten stellen besonders schwere Eingriffe dar. Wir sind daher auch beauftragt, hier nicht nur sämtliche zivil- sondern auch strafrechtliche Schritte einzuleiten. Das Recht am eigenen Bild ist auch durch das Strafrecht geschützt und wurde hier vorsätzlich verletzt. Wir bitten daher von einer Übernahme der Berichterstattung vollständig und/oder in Teilen unbedingt Abstand zu nehmen. Wir sind beauftragt, gegen weitere Berichte unverzüglich dieselben Schritte einzuleiten. Wegen der Massivität der Rechtsverletzung werden wir auch Geldentschädigungsansprüche bei der `BUNTEN` anmelden. Dieses Schreiben ist ausschließlich zur presserechtlichen Information und nicht zur Veröffentlichung bestimmt." Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagten auf, dies zu unterlassen.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten, es zu unterlassen, der Klägerin presserechtliche Informationsschreiben, die ein rechtliches Vorgehen gegen eine etwaige Berichterstattung in Wort und/oder Bild über gewisse Ereignisse oder Umstände in Aussicht stellen, per Telefax zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben der Beklagten im Mai 2016. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil das LG zurück.

Die Gründe:

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB, es zu unterlassen, der Klägerin "presserechtliche Informationsschreiben" per Telefax zu übermitteln, wenn dies geschieht wie mit dem Schreiben der Beklagten von Mai 2016.

Im Streitfall sind die Schutzinteressen der Klägerin mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) des Beklagten zu 2), dem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) der Beklagten zu 1) und deren Recht auf Verbreitung ihrer Meinung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) abzuwägen. Hier überwiegt das Interesse der Klägerin die schutzwürdigen Belange der Beklagten. Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben fällt sowohl in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beklagten zu 2) als auch in den der Berufsausübung der Beklagten zu 1). Derartige Schreiben zielen auf einen effektiven - möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden - Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sie dienen - vergleichbar einer Schutzschrift - dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße von vorneherein zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken.

Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben bereits im Vorfeld einer möglichen Presseberichterstattung kann für den Betroffenen von besonderer Bedeutung sein, da sich aufgrund der Schwierigkeit, die für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr konkret darzutun, auch durch eine einstweilige Verfügung in der Regel nur der weiteren Verbreitung einer bereits veröffentlichten persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung entgegenwirken lässt. Hinter diesen schutzwürdigen Interessen hat das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten. Zwar verursacht die Übersendung derartiger Schreiben auf Seiten des Empfängers einen gewissen Aufwand und Kosten. Der mit dem Empfang eines Informationsschreibens verbundene Aufwand wird sich jedoch regelmäßig auf dessen Sichtung und Zuordnung beschränken. Darüber hinaus hat es das betroffene Presseunternehmen selbst in der Hand, ob und inwieweit es sich weiter damit befasst.

Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn das übersandte Informationsschreiben von vorneherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken. Hiervon ist auszugehen, wenn es keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden. So verhält es sich hier. Dem Schreiben lässt sich schon der Inhalt der von den Beklagten für rechtswidrig gehaltenen Vorberichterstattung nicht entnehmen. Es wird nicht aufgezeigt, welche Rechtsverletzungen der "BUNTEN" konkret vorgeworfen werden. Weder wird klar, welche unrichtigen Behauptungen konkret aufgestellt worden sein sollen, noch welche Fotos aus welchen Gründen in rechtswidriger Weise veröffentlicht worden sein sollen. Die Darstellung ist so allgemein gehalten, dass sie der Klägerin eine Prüfung und Beurteilung des Sachverhalts nicht ermöglicht.

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