Zu den Kosten des Verfahrens gegen einen Internet-Provider auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse
BGH 15.5.2014, I ZB 71/13
Der Sachverhalt:
Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Kosten des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Abs. 9 S. 1 UrhG gegen einen Internet-Provider auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse als i.S.v. § 91 Abs.1 S. 1 ZPO notwendige Kosten eines nachfolgenden Rechtsstreits gegen die Person anzusehen sind, die für eine über diese IP-Adresse begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist.
Die Klägerin nahm einen Internet-Provider nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft über die Inhaber von 32 IP-Adressen in Anspruch , über die das von ihr vertriebene Computerspiel "Deus Ex - Human Revolution" unbefugt im Internet angeboten worden war. Zuvor hatte sie gem. § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG eine richterliche Gestattung der Verwendung der für die Erteilung einer solchen Auskunft erforderlichen Verkehrsdaten erwirkt.
Nachdem der Internet-Provider der Klägerin die Auskunft erteilt hatte, die Beklagte sei Inhaberin von zwei der 32 - näher bezeichneten - IP-Adressen, forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung eines bestimmten Betrages zur Abgeltung aller Ansprüche auf. Da die Beklagte lediglich eine - aus Sicht der Klägerin unzureichende - Unterlassungserklärung abgab, erhob die Klägerin gegen sie Klage auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten. Der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, in dem die Beklagte sich verpflichtete, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Klägerin beantragte die Festsetzung der Kosten des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Abs. 9 S. 1 UrhG i.H.v. rd. 740 € gem. § 103 Abs. 2, § 104 ZPO . Insgesamt machte sie Kosten i.H.v. rd. 860 € geltend und zwar Gerichtskosten, Anwaltskosten und Kosten für die Auskunft des Internet-Providers. In erster Linie begehrt die Klägerin die Festsetzung von Kosten i.H.v. 740 € und zwar sämtlicher Gerichtskosten und Anwaltskosten sowie der auf die Auskunft des Internet-Providers über die Beklagte als Inhaberin von zwei von 32 IP-Adressen entfallenden Kosten (2/32 von 125 €). Hilfsweise beansprucht sie die Festsetzung von Kosten i.H.v. rd. 54 € (2/32 der Gesamtkosten).
LG und OLG lehnten den Antrag ab. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Die Kosten des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Abs. 9 S. 1 UrhG gegen einen Internet-Provider auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse dienen der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits gegen die Person, die für eine über diese IP-Adresse begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist; sie sind daher gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.
Die Kosten eines solchen Verfahrens dienen auch dann unmittelbar der Vorbereitung eines Rechtsstreits gegen die Person, die für eine über diese IP-Adresse begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, wenn die erteilte Auskunft nicht sogleich zur Erhebung einer Klage gegen diese Person, sondern zunächst für eine Abmahnung des Anschlussinhabers verwendet wird. Dem steht nicht entgegen, dass die Kosten einer Abmahnung nicht zu den einen Rechtsstreit unmittelbar vorbereitenden Kosten gehören. Die Abmahnungskosten sind nicht unmittelbar zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage nicht von einer vorangegangenen Abmahnung abhängen. Dagegen kann eine Klage gegen die Person, die für eine Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, die über eine bestimmte IP-Adresse begangen wurde, nur erhoben werden, wenn zunächst der Inhaber der IP-Adresse ermittelt worden ist.
Demzufolge war der Beschluss des OLG aufzuheben. Für die neue Entscheidung ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nur - wie mit ihrem Hilfsantrag geltend gemacht - die Festsetzung von 2/32 der Gesamtkosten beanspruchen kann. Die Beschwerde macht vergeblich geltend, die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Kosten wären in derselben Höhe angefallen, wenn lediglich die beiden der Beklagten zugeteilten IP-Adressen und nicht 32 IP-Adressen Gegenstand des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG gewesen wären. Die Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, sich im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs bei den Inhabern der anderen IP-Adressen schadlos zu halten. Abgesehen davon, dass es der Beklagten wohl kaum möglich wäre, die Inhaber der anderen IP-Adressen zu ermitteln, könnte sie diese auch nicht mit Erfolg als Gesamtschuldner auf Ausgleichung (§ 426 Abs. 1 BGB) in Anspruch nehmen.
Hätte die Klägerin sämtliche Personen, die für die von ihr behaupteten Urheberrechtsverletzungen verantwortlich sind, in einem Rechtsstreit mit Erfolg in Anspruch genommen, hätte sich deren Haftung für die Kostenerstattung nicht nach § 100 Abs. 4 ZPO (Haftung als Gesamtschuldner), sondern nach § 100 Abs. 1 ZPO (Haftung nach Kopfteilen) gerichtet. Unter Berücksichtigung des diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Rechtsgedankens sind auch im vorliegenden Fall nur die anteilig auf die Beklagte entfallenden Kosten i.H.v. 2/32 der Gesamtkosten als i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendige Kosten des Rechtsstreits anzusehen.
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Die Rechtsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Kosten des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Abs. 9 S. 1 UrhG gegen einen Internet-Provider auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse als i.S.v. § 91 Abs.1 S. 1 ZPO notwendige Kosten eines nachfolgenden Rechtsstreits gegen die Person anzusehen sind, die für eine über diese IP-Adresse begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist.
Die Klägerin nahm einen Internet-Provider nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft über die Inhaber von 32 IP-Adressen in Anspruch , über die das von ihr vertriebene Computerspiel "Deus Ex - Human Revolution" unbefugt im Internet angeboten worden war. Zuvor hatte sie gem. § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG eine richterliche Gestattung der Verwendung der für die Erteilung einer solchen Auskunft erforderlichen Verkehrsdaten erwirkt.
Nachdem der Internet-Provider der Klägerin die Auskunft erteilt hatte, die Beklagte sei Inhaberin von zwei der 32 - näher bezeichneten - IP-Adressen, forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung eines bestimmten Betrages zur Abgeltung aller Ansprüche auf. Da die Beklagte lediglich eine - aus Sicht der Klägerin unzureichende - Unterlassungserklärung abgab, erhob die Klägerin gegen sie Klage auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten. Der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, in dem die Beklagte sich verpflichtete, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Klägerin beantragte die Festsetzung der Kosten des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Abs. 9 S. 1 UrhG i.H.v. rd. 740 € gem. § 103 Abs. 2, § 104 ZPO . Insgesamt machte sie Kosten i.H.v. rd. 860 € geltend und zwar Gerichtskosten, Anwaltskosten und Kosten für die Auskunft des Internet-Providers. In erster Linie begehrt die Klägerin die Festsetzung von Kosten i.H.v. 740 € und zwar sämtlicher Gerichtskosten und Anwaltskosten sowie der auf die Auskunft des Internet-Providers über die Beklagte als Inhaberin von zwei von 32 IP-Adressen entfallenden Kosten (2/32 von 125 €). Hilfsweise beansprucht sie die Festsetzung von Kosten i.H.v. rd. 54 € (2/32 der Gesamtkosten).
LG und OLG lehnten den Antrag ab. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Die Kosten des Verfahrens nach § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Abs. 9 S. 1 UrhG gegen einen Internet-Provider auf Auskunft über den Inhaber einer IP-Adresse dienen der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits gegen die Person, die für eine über diese IP-Adresse begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist; sie sind daher gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.
Die Kosten eines solchen Verfahrens dienen auch dann unmittelbar der Vorbereitung eines Rechtsstreits gegen die Person, die für eine über diese IP-Adresse begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, wenn die erteilte Auskunft nicht sogleich zur Erhebung einer Klage gegen diese Person, sondern zunächst für eine Abmahnung des Anschlussinhabers verwendet wird. Dem steht nicht entgegen, dass die Kosten einer Abmahnung nicht zu den einen Rechtsstreit unmittelbar vorbereitenden Kosten gehören. Die Abmahnungskosten sind nicht unmittelbar zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage nicht von einer vorangegangenen Abmahnung abhängen. Dagegen kann eine Klage gegen die Person, die für eine Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, die über eine bestimmte IP-Adresse begangen wurde, nur erhoben werden, wenn zunächst der Inhaber der IP-Adresse ermittelt worden ist.
Demzufolge war der Beschluss des OLG aufzuheben. Für die neue Entscheidung ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nur - wie mit ihrem Hilfsantrag geltend gemacht - die Festsetzung von 2/32 der Gesamtkosten beanspruchen kann. Die Beschwerde macht vergeblich geltend, die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Kosten wären in derselben Höhe angefallen, wenn lediglich die beiden der Beklagten zugeteilten IP-Adressen und nicht 32 IP-Adressen Gegenstand des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 S. 1 UrhG gewesen wären. Die Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, sich im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs bei den Inhabern der anderen IP-Adressen schadlos zu halten. Abgesehen davon, dass es der Beklagten wohl kaum möglich wäre, die Inhaber der anderen IP-Adressen zu ermitteln, könnte sie diese auch nicht mit Erfolg als Gesamtschuldner auf Ausgleichung (§ 426 Abs. 1 BGB) in Anspruch nehmen.
Hätte die Klägerin sämtliche Personen, die für die von ihr behaupteten Urheberrechtsverletzungen verantwortlich sind, in einem Rechtsstreit mit Erfolg in Anspruch genommen, hätte sich deren Haftung für die Kostenerstattung nicht nach § 100 Abs. 4 ZPO (Haftung als Gesamtschuldner), sondern nach § 100 Abs. 1 ZPO (Haftung nach Kopfteilen) gerichtet. Unter Berücksichtigung des diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Rechtsgedankens sind auch im vorliegenden Fall nur die anteilig auf die Beklagte entfallenden Kosten i.H.v. 2/32 der Gesamtkosten als i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendige Kosten des Rechtsstreits anzusehen.
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- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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