23.04.2013

Zu den Voraussetzungen der Teilaufnahme eines gem. § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits

Die Teilaufnahme eines gem. § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits ist in der Regel nur möglich, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in Bezug auf den aufgenommenen Teil des Rechtsstreits und den nicht aufgenommenen Teil ausgeschlossen ist. Eine solche Gefahr ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann.

BGH 27.3.2013, III ZR 367/12
Der Sachverhalt:
Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde in zweiter Instanz zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rd. 80.500 € nebst (Prozess-) Zinsen an den Kläger wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer Beteiligung des Klägers an der C-mbH & Co KG verurteilt. Das OLG ließ die Revision nicht zu. Dagegen legte die Beklagte Beschwerde ein. Das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren (III ZR 22/10) wurde gem. § 240 S. 2 ZPO dadurch unterbrochen, dass das AG - Insolvenzgericht - durch Beschluss vom 5.8.2010 der Beklagten ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Am 10.12.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.

Mit Schriftsatz vom 10.2.2011 trat die H-AG auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei. Im Insolvenzverfahren widersprach sie als Gläubigerin der Beklagten der von dem Kläger i.H.v. rd. 100.000 € zur Tabelle angemeldeten Forderung. Ein weiterer Widerspruch wurde - allerdings nur betreffend die zur Tabelle angemeldeten Zinsen von rd. 14.000 € und Kosten von rd. 8.700 € - vom Insolvenzverwalter erhoben.

Mit Schriftsatz vom 15.11.2012 nahm der Kläger das unterbrochene Verfahren ausdrücklich nur gegen die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Gläubigerin gem. § 180 Abs. 2 InsO in Höhe des vom Insolvenzverwalter anerkannten Betrages von rd. 80.500 € auf. Dieser Betrag entspricht der dem Kläger vom Berufungsgericht zuerkannten Hauptforderung. Die Streithelferin der Beklagten beantragte mit Schriftsatz vom 17.12.2012 festzustellen, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.

Der BGH stellte fest, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.

Die Gründe:
Das Verfahren ist mit der Erklärung des Klägers vom 15.11.2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.

Eine Teilaufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits ist zwar grundsätzlich möglich. Vorliegend steht einer wirksamen Verfahrensaufnahme jedoch entgegen, dass über den vom Kläger aufgenommenen Teil des Rechtsstreits nicht durch ein dem Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil entsprechendes Teilurteil entschieden werden könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist.

Eine Gefahr widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist vorliegend gegeben.

Das Teilurteilsverbot gilt bei Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zwar nicht ausnahmslos. Es hat zurückzutreten, wenn der Anspruch einer Prozesspartei auf effektiven Rechtsschutz überwiegt. Bei der vorliegenden Konstellation handelt es sich allerdings nicht um einen solchen Ausnahmefall, in dem trotz der bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung ein Teilurteil zulässig wäre.

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