Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines wirksamen Empfangsbekenntnisses in der Berufungsschrift
BGH 12.9.2017, XI ZB 2/17Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss von zwei Swap-Verträgen auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG wies die Klage mit Urteil vom 7.7.2016 ab. Das Urteil wurde laut Postzustellungsurkunde am 20.7.2016 einer Frau S.C. als "durch schriftliche Vollmacht ausgewiesenen rechtsgeschäftlichen Vertreter" der vom Kläger mandatierten L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zugestellt. Hiergegen legte Rechtsanwalt L. als Prozessbevollmächtigter des Klägers beim OLG am 19.8.2016 per Telefax Berufung ein, ohne eine Abschrift des landgerichtlichen Urteils beizufügen oder dessen Verkündungs- und Zustellungsdatum mitzuteilen. Die beim OLG am 29.8.2016 per Post eingegangene Berufungsschrift vom 19.8.2016 richtete sich dagegen "gegen das am 7.7.2016 verkündete und am 20.7.2016 zugestellte Urteil des LG Köln".
Die Frist zur Berufungsbegründung wurde mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21.9.2016 antragsgemäß bis zum 18.10.2016 verlängert. Am 18.10.2016, einem Dienstag, ging beim OLG per Telefax eine nicht unterzeichnete Berufungsbegründung ein, während das von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Original erst am 20.10.2016 eingeging. Auf den vom OLG erteilten Hinweis auf die Fristversäumung beantragte der Kläger am 21.11.2016, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er begründete dies damit, dass sein Prozessbevollmächtigter die Berufungsbegründung nach deren Unterzeichnung eingescannt, per Computerfax versendet und sodann das Original zum Versand per Post gebracht habe. Durch einen Softwarefehler der Anwaltssoftware "Datev" sei jedoch nicht das eingescannte von Rechtsanwalt L. unterschriebene pdf-Dokument an das OLG gefaxt worden, sondern eine als Word-Dokument abgespeicherte Vorversion ohne Unterschrift, was dieser aus dem Faxprotokoll nicht habe ersehen können.
Mit dem angefochtenen Beschluss verwarf das OLG die Berufung des Klägers als unzulässig. Der Kläger habe die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Eine dem Unterschriftserfordernis der § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 ZPO genügende Berufungsbegründung sei erst nach Ablauf der Begründungsfrist bei Gericht eingegangen. Dem Kläger sei gegen die Versäumung der Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setze nach § 233 S. 1 ZPO voraus, dass der Kläger ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen sei. Dem Kläger sei indes ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Insoweit sei nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar naheliegend, dass seinem Prozessbevollmächtigten ein Bedienungsfehler bei der Übermittlung der Berufungsbegründung unterlaufen sei. Der von ihm behauptete Fehler der verwendeten Software sei dagegen nicht hinreichend dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht.
Der BGH verwarf die Rechtsbeschwerde des Klägers als unzulässig.
Die Gründe:
Soweit der Kläger meint, das Urteil des LG sei seinem Prozessbevollmächtigten nicht vor dem 20.8.2016 wirksam zugestellt worden oder auf andere Weise zugegangen, so dass die Berufungsbegründungsfrist frühestens am 20.10.2016 abgelaufen (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO) und daher von ihm noch gewahrt worden sei, hat er damit keinen Erfolg. Das OLG hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 20.7.2016 wirksam erfolgt ist, so dass die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 ZPO mit diesem Datum begann und vom Vorsitzenden des OLG antragsgemäß bis zum 18.10.2016 verlängert worden ist. Die am 20.10.2016 eingegangene dem Unterschriftserfordernis der § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 ZPO genügende Berufungsbegründung war damit verspätet.
Die Berufungsbegründungsfrist lief ab dem 20.7.2016. An diesem Tag ist laut Zustellungsurkunde das erstinstanzliche Urteil an Frau S. C. als "durch schriftliche Vollmacht ausgewiesenen rechtsgeschäftlichen Vertreter" der vom Kläger mandatierten L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ausgehändigt worden. Eine wirksame Zustellungsbestätigung enthält hier bereits die beim OLG am 29.8.2016 eingegangene Berufungsschrift vom 19.8.2016. Darin hat Rechtsanwalt L. als Prozessbevollmächtigter des Klägers bekundet, dass ihm das erstinstanzliche Urteil am 20.7.2016 zugestellt worden sei. Dies reicht neben der hier nicht zweifelhaften Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle des LG für den Vollzug der Zustellung an ihn aus. Denn damit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestätigt, das zuzustellende Schriftstück an diesem Tag erhalten und mit dem Willen entgegengenommen zu haben, es als zugestellt anzusehen.
Für den Zeitpunkt der Zustellung selbst ist es weder von Bedeutung, wann die Empfangsbestätigung ausgestellt worden ist und welches Datum es trägt, noch in welcher Form dies geschieht; der Empfänger kann vielmehr auf beliebige Weise Empfang und Annahmewillen schriftlich bestätigen. Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung reicht es zum Nachweis für den wirksamen Vollzug einer Zustellung aus, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei sich in einer Rechtsmittelschrift auf das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich mit den Worten "zugestellt am" bezieht, sofern auch die weiteren, unabdingbaren Anforderungen an die Vollendung der Zustellung erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
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