Zu Sanktionen gegen den Kreditgeber wegen nicht ordnungsgemäß geprüfter Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers
EuGH 27.3.2014, C-565/12Das französische Recht sieht vor, dass ein Kreditgeber, der die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers vor Abschluss des Kreditvertrags nicht ordnungsgemäß geprüft hat, seinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Zinsen verliert, jedoch von Gesetzes wegen Anspruch auf Zinsen zum gesetzlichen Satz hat, die um fünf Punkte zu erhöhen sind, wenn der Kreditnehmer seine Schuld nicht innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung vorliegt, vollständig beglichen hat.
Der Sachverhalt:
Im Jahre 2011 schloss Herr Kalhan mit Le Crédit Lyonnais (LCL) einen Verbraucherkreditvertrag über einen Betrag von 38.000 € mit vertraglich vereinbarten Zinsen zu einem festen jährlichen Zinssatz von 5,60 Prozent. Da Herr Kalhan nicht in der Lage war, diesen Kredit zurückzuzahlen, forderte LCL vor dem Tribunal d"instance d"Orléans die Rückzahlung des noch geschuldeten Restbetrags.
Das Gericht führt aus, dass LCL die Kreditwürdigkeit von Herrn Kalhan nicht ordnungsgemäß geprüft habe und daher nach französischem Recht keinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Zinsen habe. Es weist jedoch darauf hin, das sich die Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz, die anstelle der vertraglich vereinbarten Zinsen anzuwenden seien, für das Jahr 2012 auf 5,71 Prozent beliefen (einschließlich der Erhöhung von fünf Punkten), was für den Kreditgeber keine Sanktion darstelle, sondern diesem vielmehr einen Vorteil verschaffe.
Das Gericht möchte daher wissen, ob die französische Sanktionsregelung mit dem Unionsrecht, insbes. mit der Richtlinie 2008/481, vereinbar ist, die u.2a. vorsieht, dass Sanktionen für Verstöße gegen nationale Vorschriften über die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers vor Abschluss des Vertrags wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.
Die Gründe:
Der Kreditgeber ist nach der Richtlinie 2008/48 verpflichtet, vor dem Eingehen irgendeiner vertraglichen Beziehung die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers zu prüfen, um die Verbraucher wirksam vor einer unverantwortlichen Gewährung von Krediten zu schützen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen vorzusehen, um Verstöße gegen diese Verpflichtung zu sanktionieren. Es war insoweit durch den EuGH zu prüfen, ob die Härte der im französischen Recht vorgesehenen Sanktion (d.h., die Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen) der Schwere des mit ihr geahndeten Verstoßes entspricht und insbes. ob diese Sanktion eine wirklich abschreckende Wirkung aufweist.
Hierzu ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht in dem Fall, dass der restliche Kapitalbetrag aufgrund des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers sofort fällig wird, die Beträge, die der Kreditgeber erhalten hätte, wenn er seiner Verpflichtung zur Beurteilung vor Abschluss des Vertrags nachgekommen wäre, mit den Beträgen vergleichen muss, die er unter Anwendung der vorstehend genannten Sanktion erhalten würde. Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass die Anwendung der Sanktion dem Kreditgeber einen Vorteil verschaffen kann, hieße dies, dass die fragliche Sanktionsregelung keine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet.
Im Übrigen kann die in Rede stehende Sanktion auch dann nicht als wirklich abschreckend angesehen werden, wenn die an den Kreditgeber infolge der Anwendung der Sanktion zu zahlenden Beträge nicht wesentlich geringer sind als diejenigen, die ihm zustünden, wenn er seiner Verpflichtung nachgekommen wäre. Sollte die Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs abgeschwächt oder sogar ganz zunichtegemacht werden, wäre sie nicht wirklich abschreckend, was gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/48 verstieße.
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