09.06.2015

Zu Verbraucherschutzregeln im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs und Garantien für Verbrauchsgüter

Der EuGH hat die Verbraucherschutzregeln im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter geklärt. Bei Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung einer Ware offenbar werden, wird vermutet, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden.

EuGH 4.6.2015, C-497/13
Der Sachverhalt:
Am 27.5.2008 kaufte die Klägerin bei dem beklagten Autohaus in den Niederlanden einen Gebrauchtwagen. Am 26.9.2008 fing das Fahrzeug während einer Fahrt Feuer und brannte völlig aus. Es wurde von einem Abschleppunternehmen zu dem Autohaus und dann auf dessen Bitte zu einem Verschrottungsunternehmen gebracht, um dort gelagert zu werden. Die Klägerin macht geltend, dass sich die Parteien bei dieser Gelegenheit über den Brand und eine etwaige Haftung des Autohauses unterhalten hätten, was das Autohaus bestreitet. Mit Schreiben vom 11.5.2009 machte die Klägerin das Autohaus für den Schaden haftbar. Eine technische Untersuchung zur Ursache des Brands konnte nicht durchgeführt werden, da das Fahrzeug inzwischen verschrottet worden war. Da der Verkäufer seine Haftung in Abrede stellte, erhob die Klägerin Klage.

Mit der Richtlinie 1999/44/EG über bestimmte Aspekte von Verbraucherverträgen soll der Schutz von Verbrauchern sichergestellt werden. Das mit dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren befasste niederländische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH in diesem Zusammenhang Fragen zur Vorabentscheidung vor. Es möchte wissen, ob der Grundsatz der Effektivität einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der der Verbraucher nachzuweisen hat, dass er den Verkäufer rechtzeitig über die Vertragswidrigkeit unterrichtet hat. Nach dem niederländischen Recht obliegt es bei Bestreiten des Verkäufers grundsätzlich dem Käufer, den Beweis zu erbringen, dass er den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit des gelieferten Gutes unterrichtet hat, und zwar binnen einer Frist von zwei Monaten nach der Feststellung der Vertragswidrigkeit. Darüber hinaus möchte das Gericht wissen, wie die Beweislastverteilung funktioniert, und insbesondere, welche Umstände der Verbraucher beweisen muss.

Die Gründe:
Das nationale Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klägerin als Verbraucherin i.S.d. Richtlinie 1999/44 anzusehen ist, wenn sie sich nicht auf diese Eigenschaft berufen hat. Das nationale Gericht kann zudem im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie von Amts wegen prüfen. Nach der Vorschrift wird bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden.

Die Mitgliedstaaten dürfen nach der Richtlinie 1999/442 vorsehen, dass der Verbraucher zur Inanspruchnahme seiner Rechte den Verkäufer über die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er sie festgestellt hat, unterrichten muss. Nach den Vorarbeiten für die Richtlinie trägt diese Möglichkeit dem Anliegen Rechnung, die Rechtssicherheit zu stärken, indem der Käufer zu einer "gewissen Sorgfalt unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers" gezwungen wird. Dabei soll dem Verbraucher jedoch keine zwingende Verpflichtung auferlegt werden, "die betreffende Sache genauestens zu prüfen". Die dem Verbraucher obliegende Pflicht beschränkt sich darauf, den Verkäufer über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit zu unterrichten. Der Verbraucher ist in diesem Stadium weder verpflichtet, den Beweis zu erbringen, dass eine Vertragswidrigkeit das von ihm erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt, noch, den genauen Grund für diese Vertragswidrigkeit anzugeben.

Hinsichtlich der Beweislastverteilung gilt, dass bei Vorliegen einer Vertragswidrigkeit in den ersten sechs Monaten nach Lieferung des Gutes zugunsten des Verbrauchers vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestand. Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, muss der Verbraucher jedoch bestimmte Tatsachen nachweisen. Er muss den Beweis erbringen, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist, weil es zum Beispiel nicht die im Kaufvertrag vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird. Außerdem muss er beweisen, dass die in Rede stehende Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, also sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist der Verbraucher vom Nachweis befreit, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand. Das Auftreten der Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung "zumindest im Ansatz" bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Gutes herausgestellt hat. Es ist dann Sache des Gewerbetreibenden, ggf. den (Gegen-)Beweis zu erbringen, dass die Vertragswidrigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes noch nicht vorlag, indem er dartut, dass sie ihren Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 63 vom 4.6.2015
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