02.01.2012

Zum Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs hinsichtlich der Berücksichtigung von Parteivorbringen in markenrechtlichen Verfahren

Geht das Gericht auf das Vorbringen einer Partei zu einer entscheidungserheblichen Frage ein, ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, wenn das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht und nur die von einer Partei daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht teilt. Ein Gericht ist nicht gehalten, auf jeden Vortrag eines unterlegenen Beteiligten im Einzelnen einzugehen.

BGH 7.7.2011, I ZB 68/10
Der Sachverhalt:
Die Widersprechende ist Inhaberin der u.a. für "Orthopädische Artikel, einschließlich orthopädischer Schuhwaren, Schuhwaren, insbes. Schuhe" am 25.8.2004 eingetragenen Gemeinschaftswort/Bildmarke Nr. 002 786 994 "medicus". Aus dieser Marke hat sie gegen die Wortmarke Nr. 304 33 479 des Markeninhabers "Medicus.log" Widerspruch erhoben.

Diese prioritätsjüngere Marke ist u.a. eingetragen für die Waren Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel, orthopädische Artikel, orthopädische Kniebandagen und für zahlreiche Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 u.a. für Organisationsberatung und betriebswirtschaftliche Beratung einschließlich Einkaufsberatung; Dienstleistungen einer Einkaufsagentur.

Die Markenstelle verneinte eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken und wies den Widerspruch zurück. Im Beschwerdeverfahren hat der Markeninhaber die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Das BPatG wies die Beschwerde der Widersprechenden zurück. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Verfahren vor dem BPatG verletzt die Widersprechende nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht.

Vergeblich rügt die Rechtsbeschwerde, das BPatG habe den Vortrag der Widersprechenden zu einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für orthopädische Schuhwaren unberücksichtigt gelassen. Orthopädische Schuhwaren seien auch solche Schuhe, die über ein orthopädisches Fußbett verfügten. Dies sei - ausweislich eines angeführten Prospekts - bei den unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Schuhwaren der Fall. Das BPatG hat dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat zu den orthopädischen Schuhwaren allerdings nur orthopädische Maßschuhe und orthopädische Serienschuhe gezählt, die von Orthopädieschuhmachern hergestellt oder angepasst werden.

Dass das BPatG damit der Ansicht der Widersprechenden nicht gefolgt ist, zu den orthopädischen Schuhwaren rechneten auch Schuhe mit einem orthopädischen Fußbett, stellt keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar. Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens nicht, dass sie mit ihrem Vorbringen im Verfahren Recht behalten. Das Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde dient auch nicht der Überprüfung, ob die Entscheidung des BPatG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist.

Die Rechtsbeschwerde rügt des Weiteren ohne Erfolg, das BPatG habe bei seiner Entscheidung den Vortrag der Widersprechenden übergangen, es bestehe zwischen den unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Schuhwaren und den der angegriffenen Marke zugrundeliegenden Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 Ähnlichkeit. Das BPatG hat auch diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat nur jegliche Ähnlichkeit verneint. Ein Gericht ist nicht gehalten, auf jeden Vortrag eines unterlegenen Beteiligten im Einzelnen einzugehen. Von der Versagung des rechtlichen Gehörs ist erst auszugehen, wenn es auf einen wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu einer entscheidungserheblichen Frage nicht eingeht. Hiervon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück