Zum Auskunftsanspruch gegen YouTube bei widerrechtlich hochgeladenen Filmen
EuGH, C-830/18: Schlussanträge des Generalanwalts vom 2.4.2020Die klagende Constantin Film Verleih GmbH, eine deutsche Filmverwertungsgesellschaft, verlangt von den Beklagte (YouTube und deren Muttergesellschaft Google) bestimmte Auskünfte zu den Nutzern, die unter Verstoß gegen ihre ausschließlichen Verwertungsrechte mehrere Filme hochgeladen haben. Konkret verlangt die Klägerin die Herausgabe der von diesen Nutzern verwendeten E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen.
Der mit der Sache letztinstanzlich befasste BGH möchte vom EuGH wissen, ob solche Auskünfte unter die Bestimmung der Richtlinie 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Art. 8 Abs. 2 Buchst. a) fallen, wonach die zuständigen Gerichte anordnen können, dass "Namen und Adressen" bestimmter Personengruppen, die einen Zusammenhang mit ein Recht des geistigen Eigentums verletzenden Waren oder Dienstleistungen aufweisen, mitzuteilen sind.
Die Gründe:
Generalanwalt Saugmandsgaard Øe vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass der in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG aufgenommene Begriff "Namen und Adressen" keine der streitigen Auskünfte umfasst.
Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG ist dahin auszulegen, dass der in diese Bestimmung aufgenommene Begriff "Namen und Adressen" im Fall eines Nutzers, der ein Recht des geistigen Eigentums verletzende Dateien hochgeladen hat, nicht die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer, die für das Hochladen dieser Dateien genutzte IP-Adresse oder die beim letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse erfasst. Somit sind die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung nicht verpflichtet, für die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums die Möglichkeit vorzusehen, die Erteilung dieser Auskünfte anzuordnen.
Telefonnummern fallen eindeutig nicht unter den Begriff "Namen und Adressen". Zudem verweist nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, von dem bei der Auslegung auszugehen ist, der Begriff "Adresse" ausschließlich auf die Postanschrift. Auch die historische Auslegung ergibt, dass die Richtlinie 2004/48 allein unter Bezugnahme auf das klassische Verständnis dieses Begriffs i.S.v. Postanschrift auszulegen ist. Demnach erfasst Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie sowohl nach wörtlicher als auch nach historischer Auslegung nicht die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer und die IP Adressen, die von den in dieser Bestimmung angesprochenen Personen verwendet werden. Art. 8 der Richtlinie soll die Beachtung verschiedener Rechte, u. a. das Recht der Rechtsinhaber auf Auskunft und das Recht der Nutzer auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten, miteinander in Einklang bringen soll.
Der EuGH ist nicht befugt, die Tragweite der vom Unionsgesetzgeber in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 aufgenommenen Begriffe zu ändern, da dies zur Folge hätte, dass das vom Gesetzgeber beim Erlass dieser Richtlinie angestrebte Gleichgewicht, dessen Schaffung allein in dessen Zuständigkeitsbereich fällt, in Frage gestellt würde. Eine dynamische Auslegung der Richtlinie 2004/48 durch den Unionsrichter im Hinblick auf deren Anpassung an im Internet aufkommende neue Verhaltensweisen ist auch gar nicht erforderlich. Die Richtlinie nimmt nämlich nur eine Mindestharmonisierung vor, so dass die Mitgliedstaaten befugt sind, im Hinblick auf solche neuen Verhaltensweisen ergänzende Maßnahmen zu ergreifen.