10.06.2013

Zum Auswahlermessen des Gerichts im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Hinblick auf die Brüssel-I-Verordnung

§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet Anwendung, wenn hinsichtlich eines Antragsgegners im Inland lediglich ein besonderer Gerichtsstand nach unionsrechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen begründet ist und die anderen Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben. Ergibt sich der Gerichtsstand eines Antragsgegners aus einer abschließenden Zuständigkeitsbestimmung der Brüssel-I-Verordnung, ist das Auswahlermessen des Gerichts im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeschränkt.

BGH 6.5.2013, X ARZ 65/13
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin, die in Stuttgart wohnt, beabsichtigt, die Antragsgegnerinnen wegen einer gescheiterten Kapitalanlage aus Prospekthaftung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Nach ihrem Vortrag beteiligte sie sich an einem in München aufgelegten geschlossenen Medienfonds. Die Antragsgegnerin zu 1) ist nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Initiatorin und Prospektherausgeberin des Fonds, die Antragsgegnerin zu 2) die Treuhänderin, mit der Antragsgegnerin zu 3) habe sie einen obligatorischen Finanzierungsvertrag geschlossen.

Die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) haben ihren Sitz im Bezirk des LG München I, die Antragsgegnerin zu 3) ist in Irland ansässig. Die Antragstellerin beantragte beim OLG München, ein zuständiges Gericht zu bestimmen, ohne ein bestimmtes Gericht zu bezeichnen. Das OLG München legte die Sache dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Der BGH bestimmte als zuständiges Gericht das LG Stuttgart.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

Die Antragsgegnerinnen können als Streitgenossen i.S.d. § 60 ZPO verklagt werden. Die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) einerseits und die Antragsgegnerin zu 3) andererseits haben verschiedene allgemeine Gerichtsstände. Die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG München I; die Antragsgegnerin zu 3) hat keinen allgemeinen inländischen Gerichtsstand. Zudem besteht für die Antragsgegnerinnen kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand. Für die in Irland ansässige Antragsgegnerin zu 3) ist ein Gerichtsstand nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Brüssel-I-VO am nach Art. 59 Abs. 1 Brüssel-I-VO i.V.m. § 7 BGB zu bestimmenden Wohnsitz der Antragstellerin und damit beim LG Stuttgart begründet.

Bei dem beabsichtigten Rechtsstreit um den obligatorischen Finanzierungsvertrag, den die Antragstellerin als Bestandteil der Vermögensanlage mit der Antragsgegnerin zu 3) geschlossen hat, handelt es sich um eine Verbrauchersache i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Brüssel-I-VO. Unerheblich ist insoweit, dass die konkrete Form der Vermögensanlage als Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft ausgestaltet ist. Der Abschluss eines Darlehensvertrages ist dann von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel-I-VO erfasst, wenn der mit der Kreditaufnahme verfolgte Zweck nicht mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Darlehensnehmers zusammenhängt. Dies ist bei dem allein der Finanzierung der Beteiligung an dem Medienfonds zur privaten Vermögensanlage dienenden Darlehen der Fall.

§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist auch in Fällen anzuwenden, in denen hinsichtlich eines Antragsgegners im Inland lediglich ein besonderer Gerichtsstand nach den unionsrechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen begründet ist und die anderen Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben. Danach ist der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hier eröffnet. Als zuständiges Gericht kommen das LG München I und das LG Stuttgart in Betracht.

Das dem Gericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichtes nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumte Auswahlermessen ist jedoch insoweit eingeschränkt, als der in Art. 16 Abs. 1 Brüssel-I-Verordnung statuierte Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers Vorrang genießt. Die sich aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht ergebende abschließende Zuständigkeitsregel kann im Rahmen des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - anders als die im nationalen Prozessrecht geregelten ausschließlichen Zuständigkeiten - nicht überwunden werden, weil ansonsten der durch den europäischen Gesetzgeber im internationalen Zuständigkeitsrecht getroffene Interessenausgleich beeinträchtigt würde. Als zuständiges Gericht war daher das LG Stuttgart zu bestimmen.

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