28.07.2015

Zum Bezugsrecht eines Gesellschafter-Geschäftsführers bei einer arbeitgeberfinanzierten Rentenversicherung im Insolvenzfall

Der BGH hat sich mit der Auslegung eines Widerrufsvorbehalts zum Bezugsrecht eines Gesellschafter-Geschäftsführers bei einer zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen arbeitgeberfinanzierten Rentenversicherung im Insolvenzfall auseinandergesetzt.

BGH 24.6.2015, IV ZR 411/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der B-GmbH (Schuldnerin) Ansprüche auf Auszahlung der Rückkaufswerte aus mehreren von der Schuldnerin zugunsten von früheren Arbeitnehmern im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages bei der Beklagten abgeschlossenen Rentenversicherungen geltend. Die Regelung zur Bezugsberechtigung in den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen dieser Verträge lautet in § 7 Ziffer 1 für die arbeitgeberfinanzierte Versicherung wie folgt:

"Der versicherten Person wird auf die Leistung aus der auf ihr Leben abgeschlossenen Versicherung sowohl für den Todes- als auch für den Erlebensfall ein nicht übertragbares und nicht beleihbares unwiderrufliches Bezugsrecht unter den nachstehenden Vorbehalten eingeräumt:

Dem Versicherungsnehmer bleibt das Recht vorbehalten, den Rückkaufswert für sich in Anspruch zu nehmen,

  • wenn das Arbeitsverhältnis mit der versicherten Person vor Eintritt des Versicherungsfalls endet, es sei denn, die versicherte Person hat die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung oder die Voraussetzungen einer vertraglichen Unverfallbarkeit erfüllt.
  • wenn die versicherte Person Handlungen begeht, die dem Versicherungsnehmer das Recht geben, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen."

In § 8 Ziffer 1 ist für die arbeitgeberfinanzierte Versicherung weiter bestimmt:

"1.1 Scheidet eine versicherte Person vor Eintritt des Versicherungsfalls aus dem Gruppenversicherungsvertrag aus, so meldet der Versicherungsnehmer unverzüglich die auf das Leben dieser Person abgeschlossene Versicherung ab.

1.2 Hat die versicherte Person beim Ausscheiden keine unverfallbare Anwartschaft nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung oder nach vertraglichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen, so kann der Versicherungsnehmer mit der Abmeldung bestimmen, ob er

  • der versicherten Person ganz oder teilweise die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers überlässt;
  • der versicherten Person ganz oder teilweise unter Kündigung der Versicherung deren Zeitwert gem. § 176 VVG überlässt.

Trifft der Versicherungsnehmer hierüber keine Bestimmung, so gilt die einzelne Versicherung zu dem unter Ziffer 1.1 genannten Zeitpunkt als gekündigt. Der Zeitwert der Versicherung gem. § 176 VVG wird auf Beiträge zu dem Gruppenversicherungsvertrag verrechnet oder auf Verlangen des Versicherungsnehmers diesem sofort ausgezahlt."

Einer der versicherten Mitarbeiter der Schuldnerin war der Mitgesellschafter S, der seit Juni 2003 einen Gesellschaftsanteil von 40 Prozent hielt; zugleich war er auch Geschäftsführer, und zwar zunächst Mitgeschäftsführer, ab 2006 Alleingeschäftsführer. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde aufgrund deren Eigenantrags vom 25.2.2008 am 30.4.2008 eröffnet, nachdem zuvor am 26.2.2008 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet worden war.

Schon vor dieser Anordnung waren zwölf vom Gruppenversicherungsvertrag erfasste Arbeitnehmer der Schuldnerin ausgeschieden. Ferner war der Mitgeschäftsführer B bereits zum 17.11.2006 abberufen worden. Zwei Mitarbeiter waren kurz vor dem Insolvenzantrag zum 31.1.2008 in ein anderes Unternehmen der B-Gruppe, der BS-GmbH, gewechselt. Der Geschäftsführer S. erklärte am 26.2.2008 die Niederlegung seines Amtes. Gegenüber fünf Mitarbeitern erklärte der Kläger nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung die Kündigung. Ein Mitarbeiter schied durch Eigenkündigung vom 13.4.2008 aus. Zehn Mitarbeiter wechselten zum 1.5.2008 zu einem Betriebsübernehmer. Mit drei Arbeitnehmern schließlich schloss der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Aufhebungsverträge zu Ende März bzw. Ende Mai 2008.

Der Kläger beansprucht von der Beklagten bzgl. aller vorgenannten Personen die Auszahlung der Rückkaufswerte aus den zu ihren Gunsten geschlossenen Versicherungen i.H.v. insgesamt rd. 22.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten, nachdem er mit Schreiben an die Beklagte vom 11.11.2011 den Widerruf des Bezugsrechts und die Kündigung des Gruppenversicherungsvertrages erklärt hat.

Das LG gab der Klage - unter Klageabweisung im Übrigen - i.H.v. rd. 6.400 € nebst Zinsen statt, das OLG i.H.v. rd. 7.400 € nebst Zinsen. Die Revisionen beider Parteien hatten vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:

+++ Revision des Klägers +++
Die Annahme des OLG, § 7 Abs. 1 des Versicherungsvertrages sei einschränkend dahin auszulegen, dass die Bezugsberechtigung der Versicherten bei insolvenzbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht widerruflich sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zwar trifft es zu, dass bei einer reinen Wortlautauslegung auch die insolvenzbedingte Beendigung von Arbeitsverhältnissen von dem Vorbehalt "ohne weiteres" erfasst wird, weil dort nicht auf den Grund der Beendigung abgestellt wird. Hierauf darf sich die Auslegung aber nicht beschränken, sondern es sind auch Sinn und Zweck der Klausel unter Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragsbeteiligten für die Auslegung heranzuziehen. Insoweit sind vor allem die typischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen in die Würdigung einzubeziehen, die das maßgebliche Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und der Versicherten  beeinflussen.

Das ist zum einen das Interesse der Arbeitnehmer, dass ihnen die Versicherungsansprüche nicht in Fällen genommen werden, die sich ihrer Einflussnahme entziehen und auch sonst nicht ihrer Sphäre zuzuordnen sind, und zum anderen das Arbeitgeberinteresse, sich der weiteren Betriebstreue des Arbeitnehmers zu vergewissern. Ergänzend ist zu prüfen, ob im Einzelfall sonstige Gesichtspunkte vorliegen, die auch unter Berücksichtigung dieser Interessenlage ein Festhalten am Wortlaut der Klausel gebieten. Alles dies hat das LG beachtet. Insbesondere hat es bei seiner Auslegung keinen relevanten Tatsachenvortrag des Klägers übergangen.

+++ Revision der Beklagten +++
Revisionsrechtlich beachtliche Fehler lässt die Auslegung des LG auch nicht erkennen, soweit es eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des Vorbehalts im Hinblick auf die Insolvenz für das Versicherungsverhältnis des Geschäftsführers S wegen seiner Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer und des Ausmaßes seiner Beteiligung sowie darauf beruhender Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke des Unternehmens verneint hat.

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist kein Arbeitnehmer i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 BetrAVG. Handelt es sich jedoch um einen Minderheitsgesellschafter, so gilt er als einem Arbeitnehmer versorgungsrechtlich gleichzustellender sog. Nichtarbeitnehmer i.S.d. Satzes 2 dieser Vorschrift. Dagegen fallen in einer Kapitalgesellschaft geschäftsführende Gesellschafter mit einer nicht unbedeutenden Beteiligung, sofern sie entweder allein oder zusammen mit anderen Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern über die Mehrheit verfügen, in aller Regel nicht unter den Schutzbereich des Gesetzes.

Zu Unrecht wendet sich die Revision der Beklagten schließlich gegen das Berufungsurteil, soweit darin der Klageanspruch hinsichtlich weiterer Arbeitnehmer der Schuldnerin und des weiteren Geschäftsführers B deshalb zuerkannt worden ist, weil deren Beschäftigungsverhältnisse nicht insolvenzbedingt beendet worden seien. Die Auffassung der Revision, dass der Kläger die Beweislast für eine nicht insolvenzbedingte Beendigung trage, trifft nicht zu. Vielmehr ist die Beklagte für eine insolvenzbedingte Beendigung beweisbelastet. Dass die fraglichen Beschäftigungsverhältnisse insolvenzbedingt beendet worden seien, hat das LG nicht festgestellt.

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