Zum ergänzenden Leistungsschutz für ehemals patentgeschützte Erzeugnisse
OLG Frankfurt a.M. 25.5.2013, 6 U 204/11Die Klägerin stellt Befestigungselemente für die Verlegung von Kunststoffrohren und Leitungen für die Elektroinstallation her, die mittels einer speziellen Stecktechnik direkt in der Wand oder Decke ohne weitere Hilfsmittel in einem Bohrloch verankert werden können. Diese Form der Befestigung wird durch besonders geformte Spreizelemente (sog. Exzenterzähne) an der Außenseite der Befestigungselemente erreicht. Diese waren bis zum Ablauf des Patentschutzes im Jahr 2004 patentgeschützt.
Die Beklagte war von 1984 bis 2009 exklusive Vertriebspartnerin der Klägerin in Deutschland. Sie verkaufte 90 % der Stecksysteme an Großabnehmer, die mit Wissen und Wollen der Klägerin deren Produkte unter ihrem eigenen Namen an Elektroinstallateure vermarkteten. Spätestens im September 2009 leitete die Beklagte eine eigene Fertigung von Stecktechnikprodukten ein. Die Parteien stritten nach Beendigung des exklusiven Vertriebsvertrages über Ansprüche wegen Vertrags- bzw. Wettbewerbsverletzungen.
Das LG bejahte die Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz und gab der Klage überwiegend statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG die Entscheidung auf und wies die Klage insgesamt ab. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Es lagen keine Vertragsverletzungen vor. Die Beklagte hatte keine Schutzrechte oder schutzrechtsähnliche Positionen der Klägerin verletzt. Namentlich lagen keine Handlungen vor, die nach den §§ 3, 4 Nr. 9 UWG unzulässig wären.
Zwar bestand eine Quasi-Identität der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse. Denn die Produkte der Beklagten wiesen nur unerhebliche Abweichungen von denen der Klägerin auf. Aufgrund des jahrelangen umfangreichen Vertriebs der Erzeugnisse der Klägerin bestand auch kein Zweifel daran, dass diese bei den angesprochenen Fachkreisen eine erhebliche Bekanntheit hatten mit der Folge, dass von den angegriffenen Steckerzeugnissen der Beklagten die Gefahr einer gewissen Herkunftstäuschung ausging und die Beklagte von dem Ruf, den die Klägerin mit ihren Produkten erworben hatte, profitierte. Es war allerdings fraglich, ob die klägerischen Erzeugnisse über die erforderliche wettbewerbliche Eigenart verfügten.
Eine solche liegt nur vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Dies war hier jedoch bereits unter dem Gesichtspunkt zweifelhaft, dass die klägerischen Produkte während des Vertriebsvertrages der Parteien zu 90 % über Großabnehmer verkauft worden waren, die diese sodann unter deren eigenen - durchaus bekannten - Marken ohne Nennung der Klägerin oder ihrer Marken weiter vertreiben durften.
Ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für ein technisches Erzeugnis, das hinsichtlich eines bestimmten Teils patentgeschützt war, kommt zudem nach Ablauf des Patentschutzes nur in Betracht, wenn die Herkunfts- oder Gütevorstellungen, die der angesprochene Verkehr mit dem Erzeugnis - weiterhin - verbindet, an solchen Merkmalen anknüpfen, die von der früher patentierten technischen Lösung unabhängig sind. Dies erschien hier schon deshalb zweifelhaft, weil die Klägerin selbst die Funktionalität ihrer Erzeugnisses als ihren guten Ruf begründend darstellte und die spezielle und (früher) einzigartige Stecktechnik ihrer Erzeugnisse als deren Besonderheit darstellte, die aber allein durch die Gestaltung des Dübels verkörpert wird.
Außerdem waren bei den Steckerzeugnissen die am Dübel angebrachten Befestigungselemente und die Klemmbügel äußerst schlicht und technisch funktional ausgestaltet. Zwar setzt eine wettbewerbliche Eigenart eines Produkts nicht voraus, dass die zu seiner Gestaltung verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Sie dürfen sich jedoch nicht in technisch notwendigen Merkmalen - also Merkmalen, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen - erschöpfen. Insoweit konnte sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen, dass die Form und Ausgestaltung der Befestigungselemente durch die technische Funktion bedingt waren und keine hinreichenden zumutbaren Ausweichmöglichkeiten bestanden.
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