17.09.2012

Zum Gerichtsstand bei Klagen von Verbrauchern gegen in anderen Mitgliedsstaaten ansässige Gewerbetreibende

Verbraucher können in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gewerbetreibenden auch dann vor den Gerichten ihres eigenen Mitgliedstaats verklagen, wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz geschlossen wurde. Begibt sich der Verbraucher zum Vertragsabschluss in den Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden, so schließt das die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des Verbrauchers nicht aus.

EuGH 6.9.2012, C-190/11
Der Sachverhalt:
Die in Österreich wohnhafte Klägerin beabsichtigte den Kauf eines Fahrzeugs und stieß bei Recherchen im Internet auf ein Angebot des in Hamburg ansässigen Autohauses Yusufi. Zur Unterzeichnung des Kaufvertrags und Übernahme des Autos begab sie sich nach Hamburg. Zurück in Österreich entdeckte sie, dass das Fahrzeug wesentliche Mängel aufwies.

Da sich die beklagten Geschäftsinhaber weigerten, das Fahrzeug zu reparieren, erhob die Klägerin Klage bei den österreichischen Gerichten. Sie begehrt die Wandlung des Kaufvertrags über das Fahrzeug. Die Beklagten rügen die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte.

Der österreichische Oberste Gerichtshof ist der Auffassung, dass die gewerbliche Tätigkeit der Beklagten durchaus auf Österreich ausgerichtet gewesen sei, weil ihre Website dort zugänglich war; zudem habe es Fernkontakte (Telefon, E-Mails) zwischen den Vertragsparteien gegeben. Der Oberste Gerichtshof möchte in diesem Zusammenhang vom EuGH wissen, ob die Möglichkeit, die inländischen Gerichte zu befassen, außerdem voraussetzt, dass der Vertrag zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.

Die Gründe:
Ein Verbraucher kann einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewerbetreibenden vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats verklagen, auch wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz geschlossen wurde.

Zwar verlangte die Regelung in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen bis 2002, dass der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen in seinem Wohnsitzstaat vorgenommen hat; die derzeitige Regelung enthält eine solche Voraussetzung jedoch nicht. Durch diese Änderung wollte der Unionsgesetzgeber den Schutz der Verbraucher verbessern.

Die wesentliche Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung ist die der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist. Insoweit sind sowohl die Aufnahme von Fernkontakt als auch die Buchung eines Gegenstands oder einer Dienstleistung im Fernabsatz und erst recht der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz Indizien dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt.

Der Verbraucher kann den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gewerbetreibenden aber auch dann vor den Gerichten seines eigenen Mitgliedstaats verklagen, wenn der Vertrag nicht im Fernabsatz abgeschlossen wurde, weil er im Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden unterzeichnet wurde, sofern erstens der Gewerbetreibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübt oder sie auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und zweitens der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 113 vom 6.9.2012
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