Zum Lösungsrecht des Inferenten von einem Übernahmevertrag
BGH 3.11.2015, II ZR 13/14Die Gesellschafter Dr. K. und Dr. B. waren an der beklagten GmbH mit einem Anteil von je 25.000 € am Stammkapital von 75.000 € beteiligt und mit Kapitaleinlagen von je 125.000 € zudem stille Gesellschafter. Weitere Mitarbeiter der Beklagten, darunter der Kläger, wurden im März 2008 mit Kapitaleinlagen von je 50.000 € stille Gesellschafter. Über grundlegende Fragen, die die Leitung und Struktur oder den Fortbestand der Beklagten betrafen, hatte die Versammlung der stillen Gesellschafter zu entscheiden. Ihnen sollten die gesetzlichen Informations- und Kontrollrechte des § 233 HGB auch nach Beendigung der Gesellschaft in dem zur Überprüfung des Auseinandersetzungsguthabens erforderlichen Umfang zustehen.
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten hatte im November 2008 mit den stillen Gesellschaftern eine Erhöhung des Stammkapitals auf 175.000 € durch Sacheinlagen beschlossen. Zur Übernahme einer neuen Stammeinlage wurden alle stillen Gesellschafter der Beklagten in Höhe von je 12.500 € zugelassen. Als Sacheinlage sollte jeweils der Gesellschaftsanteil an der im März 2008 gegründeten stillen Gesellschaft übertragen werden. Der Kläger und die anderen ehemaligen stillen Gesellschafter wurden in der Folge zu Gesellschafterversammlungen der Beklagten eingeladen und nahmen an den Abstimmungen teil. Im Verlauf des Jahres 2009 kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Im Dezember 2009 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis als "Direktor" fristlos. Die Eintragung der Kapitalerhöhung geriet ins Stocken.
Ab Juni 2010 wurde der Geschäftsbetrieb der Beklagten in die R-GmbH integriert. Die Beklagte stellte ihre operative Tätigkeit ein. Das Registergericht wies die Anmeldung der Kapitalerhöhung zurück, da eine Darstellung der aktuellen Sachlage zur Wirksamkeit des Übernahmevertrags nicht innerhalb der Frist eingegangen sei. Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe die Eintragung der Kapitalerhöhung und seine Gesellschafterstellung treuwidrig und stellte zahlreiche Auskunftsanträge, vor allem zu der Übernahme des Geschäfts durch die R-GmbH, von dem seiner Auffassung nach nicht die Beklagte, sondern die Altgesellschafter der Beklagten durch Umleitung des Erlöses auf sich selbst unmittelbar profitiert hätten.
Das LG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Einsicht in die Rechnungen und ihnen zugrunde liegenden Unterlagen zu den Rechts- und Beratungskosten sowie zu den Abschluss- und Prüfungskosten der Beklagten zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Zuvor hatte der Kläger seinen Rücktritt von der Übernahmevereinbarung erklärt, Auf seine Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Zwar war dem Kläger zu Recht kein Anspruch auf die begehrten Auskünfte als GmbH-Gesellschafter oder wegen eines treuwidrig vereitelten Anspruchs auf die Mitgliedschaft zu gewähren. Denn er war durch den Übernahmevertrag nicht Gesellschafter geworden und hatte auch keine gesellschaftergleiche Stellung durch ein Anwartschaftsrecht erworben. Dem Kläger war auch kein Auskunftsanspruch allein aufgrund seines in der mündlichen Verhandlung erklärten Rücktritts anzuerkennen. Allerdings hat der Kläger nach einem Scheitern der Kapitalerhöhung, jedenfalls nach der Erklärung seines Rücktritts nicht nur einen Anspruch auf ein Entgelt für den Auseinandersetzungsanspruch aus der stillen Beteiligung, sondern auch einen Anspruch auf Wiedereinräumung der stillen Beteiligung.
Der Kläger hatte nicht nur den Auseinandersetzungsanspruch aus § 235 HGB als Sacheinlage in die Beklagte eingebracht, sondern auch die stille Beteiligung. Aufgrund des erklärten Rücktritts kommt ein Rückgewähranspruch aus § 346 BGB i.V.m. § 313 Abs. 3 S. 1 BGB in Frage. So steht dem Inferenten ohne Vereinbarung einer Befristung oder Bedingung ein Lösungsrecht von dem Übernahmevertrag nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu, wenn der angemessene Zeitraum für Bindung des Übernehmers überschritten wird oder es aus anderen Gründen nicht zur Kapitalerhöhung kommt. Rechtsfolge ist ein Rücktrittsrecht des Übernehmers, § 313 Abs. 3 S. 1 BGB, das an die Stelle der früher von der Rechtsprechung entwickelten Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht getreten ist.
Die geleistete Einlage, die der Kläger nach § 346 Abs. 1 BGB zurückfordern kann, ist die stille Beteiligung. Im Vertrag aus März 2008 war vereinbart worden, dass die stille Beteiligung, mit Zustimmung der Inhaberin, veräußert werden kann. Daher konnte die stille Beteiligung mit ihrer Zustimmung auf die Beklagte übertragen werden und war sie tauglicher Gegenstand einer Sacheinlage. Eine stille Beteiligung kann als Sacheinlage in eine GmbH eingebracht werden. Sie erlischt durch die Übertragung auf die GmbH. Nach einem Rücktritt kann der Übernehmer verlangen, dass die infolge der Übertragung erloschene stille Beteiligung neu begründet wird.
Der Kläger kann einen Schadensersatzanspruch wegen des durch die Veräußerung des Geschäftsbetriebs an die R-GmbH ohne Gegenleistung für die Beklagte entgangenen Gewinns und damit einen Anspruch auf die Auskünfte haben, die er zur Berechnung dieses Ersatzanspruchs benötigt. Zwar sind die Gesellschafter regelmäßig frei, einen im Zuge der Übernahme bereits gefassten Kapitalerhöhungsbeschluss aufzuheben, so dass kein Erfüllungsanspruch des Übernehmers gegen die Gesellschaft auf Durchführung der Kapitalerhöhung besteht. Die Gesellschaft trifft aber eine (Treue-)Pflicht, für eine zügige und ordnungsgemäße Durchführung der Kapitalerhöhung zu sorgen, jedenfalls dann, wenn sie sich im Übernahmevertrag unter Mitwirkung aller Gesellschafter und Geschäftsführer ausdrücklich zur Durchführung der Kapitalerhöhung verpflichtet.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.