Zum Nachtrag zu einer ursprünglich zulässigen Verdachtsberichterstattung nach Ausräumung des Verdachts
BGH 18.11.2014, VI ZR 76/14Der Kläger ist ehemaliger Chefjustiziar einer Bank. Er hatte die Richtigstellung einer ihn betreffenden Berichterstattung in einem von der Beklagten verlegten Nachrichtenmagazin verlangt. Der angegriffene Beitrag ging der Frage nach, ob ein wegen des Verdachts von Pflichtverletzungen entlassenes Vorstandsmitglied der Bank Opfer einer Falschbezichtigung geworden war. Der Beitrag berichtete über ein gegen einen früheren Sicherheitsberater der Bank eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes, das Büro des ehemaligen Vorstandsmitglieds verwanzt, dessen Privatwohnung durchsucht und beim Frisieren von Dokumenten mitgeholfen zu haben.
Die Autoren beriefen sich auf Aussagen des früheren Sicherheitsberaters, wonach der namentlich genannte Kläger und zwei weitere Personen an der Beauftragung dieser Maßnahmen mitgewirkt haben sollen. Nach der Veröffentlichung des Beitrags wurde eine notarielle Erklärung des früheren Sicherheitsberaters bekannt, in der dieser von seinen angeblichen früheren Aussagen abrückte. Später wurde ein gegen ihn und den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren eingestellt.
LG und OLG gaben der Klage auf Richtigstellung weitestgehend statt. Das OLG war nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verdacht, der Kläger habe an Abhörmaßnahmen gegen das ehemalige Vorstandsmitglied mitgewirkt, unberechtigt sei. Es verurteilte die Beklagte antragsgemäß, in ihrem Nachrichtenmagazin unter der Überschrift "Richtigstellung" eine Erklärung zu veröffentlichen, wonach sie den Verdacht nicht aufrechterhalte. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache an das OLG zurück.
Die Gründe:
Der angegriffene Beitrag enthielt eine den Kläger nicht vorverurteilende Verdachtsberichterstattung, die nach dem für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sachvortrag der Beklagten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig war.
Die möglichen Verfehlungen von Führungskräften der Bank, die im Zuge der Finanzkrise verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten waren, stellten einen Vorgang von gravierendem Gewicht dar, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt war. Die Beklagte hatte auch einen hinreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen dargetan, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung für eine Beteiligung des Klägers an den fraglichen Vorgängen sprachen. Denn nach ihrem Vortrag stützte sich der Beitrag u.a. auf Aussagen des früheren Sicherheitsberaters gegenüber den Autoren des Berichtes und auf einen Vermerk der Staatsanwaltschaft. Außerdem hatten die Autoren den Kläger und eine weitere Person angehört, die an der Beauftragung des früheren Sicherheitsberaters mitgewirkt haben sollte. Dies war unter den konkreten Umständen des Falles ausreichend.
Zwar kommt auch im Fall einer im Veröffentlichungszeitpunkt zulässigen Verdachtsberichterstattung ein Berichtigungsanspruch des Betroffenen grundsätzlich in Betracht, wenn - wie hier - der Tatverdacht später ausgeräumt wird und die Rufbeeinträchtigung fortdauert. Allerdings ergibt die gebotene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK sowie dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK, dass das Presseorgan nicht verpflichtet werden kann, sich nach einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung selbst ins Unrecht zu setzen. Deshalb kann der Betroffene bei späterer Ausräumung des Verdachts und Fortwirkung der Beeinträchtigung von dem Presseorgan nicht die Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung, sondern nur die nachträgliche Mitteilung (Nachtrag) verlangen, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde.
Linkhinweise:
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