14.02.2013

Zum Rechtsschutzbedürfnis bei Kürzungen von Sachverständigenhonoraren im Rahmen außergerichtlicher Schadensregulierung

Einer Unterlassungsklage, mit der auf einen Haftpflichtversicherer eingewirkt werden soll, um ihn daran zu hindern, im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare allein unter Hinweis auf pauschale Vergütungssätze zu kürzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dadurch würde in unzulässiger Weise auf die Rechtsverteidigung des Versicherers eingewirkt werden.

BGH 19.7.2012, I ZR 105/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein Kraftfahrzeugversicherer. Sie erstattet bei der Regulierung von Unfallschäden in der Haftpflichtversicherung die geltend gemachten Sachverständigenkosten nach pauschalen Vergütungssätzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind. Die Vergütungssätze entsprechen dem Ergebnis von Gesprächen mit dem Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK). Übersteigen die vom Geschädigten bei der Abwicklung von Unfallschäden geltend gemachten Sachverständigenkosten die pauschalen Vergütungssätze, kürzt die Beklagte - ohne weitere Prüfung im Einzelfall - die Kosten auf den jeweiligen pauschalen Vergütungssatz.

Die klagende Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hielt dies für wettbewerbsrechtlich unlauter. Durch die Honorarkürzungen ohne Einzelfallprüfung setze die Beklagte die Tätigkeiten und geschäftlichen Verhältnisse der Sachverständigen herab. Durch das von ihr verwandte Formularschreiben entstehe beim Adressaten der Eindruck, der Sachverständige halte sich nicht an verbindliche Standards. Die Geschädigten, die Sachverständige beauftragten, die sich nicht an die von der Beklagten verwendete Kostentabelle hielten, müssten mit Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung rechnen, weil sie einem Gebührenanspruch des Sachverständigen ausgesetzt seien, den sie bei der Versicherung nicht in voller Höhe realisieren könnten. Dies führe letztlich dazu, dass nur Sachverständige beauftragt würden, die sich an die Gebührensätze der Beklagten hielten.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten gerichtlich u.a., es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Kürzungen bei Honoraren von Sachverständigen im Rahmen der Regulierung von Kfz-Haftpflichtschäden vorzunehmen, ohne die dem Geschädigten gegenüber bestehende zivilrechtliche Ersatzpflicht des vollständigen vom Sachverständigen angesetzten Honorars zuvor in jedem Einzelfall zu überprüfen. Die Unterlassungsklage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Gründe:
Der Klägerin fehlte für den in erster Linie verfolgten Unterlassungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis.

Einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen.

Infolgedessen kann die Klägerin von der Beklagten nicht verlangen, es zu unterlassen, in einem Haftpflichtprozess über den Ersatz der Sachverständigenkosten die Kürzung des Sachverständigenhonorars ohne eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Berufung auf das Ergebnis des BVSK-Gesprächs vorzunehmen. Dadurch würde auf die Rechtsverteidigung der Beklagten in einem gerichtlichen Verfahren eingewirkt werden, was grundsätzlich unzulässig ist.

Der Unterlassungsantrag war zudem auch insoweit unzulässig, als er das außergerichtliche Regulierungsverhalten der Beklagten betraf. In der BGH-Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage nicht nur in Fällen fehlt, in denen Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren untersagt werden sollen. Privilegiert sind grundsätzlich auch Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem behördlichen Verfahren dienen oder die im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen.

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